„Er
wollte mit sich sprechen, aber er konnte nicht, er wagte kaum zu atmen“ „Lenz“
von Georg Büchner.
Das ist der traurigste Satz, den ich je gelesen habe. Man kann Georg Büchner als Vorläufer der Postmoderne verstehen. Gott ist noch nicht für tot erklärt worden, aber die Religion bedeutet immer weniger eine Säule - weder für die Gesellschaft, noch für das Individuum selbst. Die Konsequenzen, die daraus entstehen, darf man nicht übersehen. Postmoderne heißt die Auflösung der Grenzen, aber leider auch die Unmöglichkeit der Kommunikation des Menschen mit sich selbst, weil die Entfremdung des Individuums, die der Tod Gottes für ihn nicht nur eine Entfremdung gegenüber der Welt, sondern auch gegenüber sich selbst bedeutet. Die Technologie wird ein zusätzliches Element für diese Entfremdung werden, aber sie ist nicht ihre wahre Ursache.
Die
Tatsache, dass das Individuum noch nicht einmal mit sich selbst kommunizieren
kann, kann es in die Arme des Kollektivismus treiben. Kollektivismus bezeichnet
jene Orte, wo das Individuum seine tiefste Entfremdung und Einsamkeit, - und
zwar eine Einsamkeit, der die Eins fehlt -, und wo er gleichzeitig die Tore
zu verschiedenen Totalitarismen öffnet: eine der extremsten Formen der falschen
Kommunikation.
Kommunikation
ist Übermittlung von Information. Es ist gleichgültig, ob
diese Information über Gedanken, Meinungen, Tatsachen, Träumen oder Gefühlen
handelt.
In
der Kommunikation gibt es vier Elemente. Das erste ist der Sender,
das zweite der Empfänger und das dritte die Information, die man
kommuniziert. Das vierte Element und der sind die Kanäle für ihre
Übermittlung.
Die
Kanäle sind zunächst die fünf Sinne. Manche sprechen überdies von
übersinnlichen Wahrnehmungen, wie Telepathie - aber das führt uns zu weit.
Der
Sender muss nicht notwendigerweise menschlich sein. Ein Stein aus den Bergen, der
Meeresfossilen enthält, „erzählt“ dem Forscher, dass dieses Gebirge einst vom
Meer bedeckt war.
Ich
habe „Forscher“ gesagt, denn Voraussetzung der Kommunikation ist nicht nur,
dass der Sender die Information übermittelt, sondern auch, dass der Empfänger
die Information richtig verarbeitet kann – also sein Verstehenshorizont. Ein
Mensch, der nichts von Fossilen versteht, kann diese Information noch nicht einmal
sehen.
Eine
erste Bedingung für eine richtige Kommunikation ist, dass der
Empfänger die Information verstehen kann.
Eine
zweite Bedingung ist, dass der Empfänger die Information des Senders
analysieren, kontrastieren und bestätigen kann (und darf). Das verlangt von dem
Empfänger nicht nur die notwendigen Kenntnisse, die die erste Bedingung forderte,
sondern auch einen „kalten Kopf“ sowie zugleich einen hohen Grad der Empathie.
Man
benötigt einen kalten Kopf in dem Sinn, dass der Empfänger frei von Ideologien,
Vorurteilen und eigenen Träumen, eigenen Wünschen und eigenen Hoffnungen sein
soll.
Man
benötigt einen hohen Grad der Empathie, um nicht nur die oberflächliche
Struktur der Information, sondern auch die „Tiefenstruktur“ dieser Information
registrieren (wahrnehmen) zu können.
Ich
spreche von oberflächlicher und tiefer Struktur in dem Sinn von Ferdinand de
Saussure - ich möchte aber auch das psychologische Feld mitumfassen, damit man
Phänomene wie Manipulation, Lügen, Propaganda, berücksichtigt werden können.
Eine
logische dritte Bedingung ist Bildung und Freiheit.
Es
gibt drei extreme Möglichkeiten von Kommunikationslosigkeit.
-
Entfremdung. Kein
Verständnis zwischen Sender und Empfänger. Der Forscher der Natur, zum
Beispiel, hat eine tiefere Kommunikation mit der Natur als der Laie. Ein Symbol
hierfür ist auch „Babel“. Entfremdung trifft aber auch auf den und auch auf den
Menschen in der Postmoderne zu.
-
Totalitarismus.
Ohne Freiheit kann (darf) der Empfänger kein kritisches Urteil bilden. Er kann
(darf) nicht analysieren, und deshalb kann (darf) er auch keine Antwort von
sich geben. Die Kommunikation findet nur in einer – und zwar von der
totalitären Macht gebilligten - Richtung statt.
-
Überfluss an Information.
Wenn die Information so zahlreich und folglich so unüberschaubar ist, dass es für
den Empfänger unmöglich ist, diese Menge an Information zu analysieren. Allein
der Spezialist in seinem Fachgebiet vermag sich noch „zurecht zu finden“. Wittgensteins
Satz „Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“ wird daher für
fast jede Sphäre in dieser Welt gültig und nicht nur in der Welt der Metaphysik.
Meine
Fragen am 09.12.2025: Kommunikation: Welche Art von Kommunikation? Ist
Kommunikation ohne die Existenz des Logos möglich? Ist Kommunikation möglich,
wenn das Logos frakturiert ist? Ist Kommunikation möglich, wenn der Logos in
Wortspiele zerlegt worden ist, die fälschlicherweise und absichtlich als „Perspektiven“
bezeichnet und vorgestellt sind? Bemerkung: Derrida hat der Logos als Tot
erklärt, genauso wie Nietzsche Gott erklärt hat. Weder Nietzsche hat Gott
umgebracht, noch Derrida tötete den Logos. Andere sind die Mörder,
Isabel Viñado Gascón
(Dieser Artikel erschien erstmals in MoMo PubTalk am 12.Februar.2023)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.