Es
war Kant, der am besten die Aufklärung definiert hat:
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen
aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen,
sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am
Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich
seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich
deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen,
nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen (naturaliter
maiorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es Anderen so
leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig
zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der
für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt, u.s.w., so
brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken,
wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für
mich übernehmen. Daß der bei weitem größte Teil der Menschen (darunter das
ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit, außer dem daß er
beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte: dafür sorgen schon jene
Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben.
Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben und sorgfältig verhüteten,
daß diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie
sie einsperrten, wagen durften, so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die
ihnen droht, wenn sie es versuchen allein zu gehen. Nun ist diese Gefahr zwar eben
so groß nicht, denn sie würden durch einigemal Fallen wohl endlich gehen
lernen; allein ein Beispiel von der Art macht doch schüchtern und schreckt
gemeinhin von allen ferneren Versuchen ab.“ („Was ist Aufklärung?“ Kant)
Das
heißt: Es kann nur Fortschritt geben, wenn individuelles Denken existiert, es
Freiheit gibt, und Menschen den Mut und den Willen haben, um sich aus der
Unmündigkeit zu befreien.
Nicht
die Technik, nicht die Ordnung, sind die Faktoren die den Fortschritt
ermöglichen, sondern, das Individuelle Denken, das mutig und fleißig genug ist,
sich des Verstandes „ohne Leitung eines anderes zu bedienen.“
Freiheit
ist die Säule des individuellen Denkens.
So
wie Kant, seine Ethik formuliert, kann jeder Mensch sich eine eigene Maxime
geben. Die Sicherheit in der Gesellschaft entsteht aus der bindenden
Verpflichtung gegenüber sich selbst und seiner Maxime. Tatsächlich kann es
sein, dass die kantische Ethik die Tür zur Grausamkeit öffnet, wenn jemand, der
sich eine grausame Maxime gegeben hat, nach dieser grausamen Maxime nach handelt,
und „die sich selbst zugleich zu den allgemeinen Gesetzen machen kann.“ (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten.
Kant)
Was
erreicht Kant damit? Die Tür des Zynismus zu schließen. Eine Maxime, die
etabliert, situativ zu handeln, kann nicht als allgemeines Gesetz gelten, weil
diese Maxime nicht aus der freien Vernunft entstehen würde, sondern aus der
externen Situation, die kein „allgemeines Gesetz“ begründen kann.
Die
Diktaturen, sogar wenn sie gut funktionieren, können nie fortschrittlich sein.
In jeder Diktatur ist das individuelle Denken verboten und die Bürger bleiben
in ihrer Unmündigkeit. Eine Diktatur ist ein Vormund, „der, die Oberaufsicht
über sie gütigst auf sich genommen haben. Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm
gemacht haben und sorgfältig verhüteten, dass diese ruhigen Geschöpfe ja keinen
Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie einsperrten, wagen durften, so zeigen
sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen droht, wenn sie es versuchen allein zu
gehen.“
Für
eine Diktatur bedeutet „Fortschritt“ technischer und technologischer
Fortschritt. Dies ist jedoch aus der Perspektive der Aufklärung kein wahrer
Fortschritt.
Weiterhin:
Für Kant würde die Technik in bestimmten Fällen sogar ein Werkzeug darstellen,
welches den Menschen bevormundet. Dadurch würde das individuelle Denken, der
individuelle Mut und die individuelle Anstrengung verhindert.
Die
Diktaturen sind vielleicht legalistisch, ethisch sind sie jedoch nie. Jede
Diktatur ist zynisch, weil jede Diktatur ihre Willkür in situativ willkürliche
Regeln einwickelt. Deshalb kann es in keiner Diktatur Sicherheit für das
Individuum geben.
Die
Aufklärung hat heute so viele Feinde wie der Fortschritt selbst.
Isabel
Viñado
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