Freitag, 5. Dezember 2025

Autorität

 

Autorität über einen anderen auszuüben bedeutet Macht. Der Autorität von anderen zu unterliegen, bedeutet eine Begrenzung der eigenen Freiheit.

Der Begriff “Autorität” beruht auf Grundlagen, die gleichermaßen sowohl für diejenigen gelten, die Autorität ausüben wie für diejenigen, die der Autorität unterliegen. Erstens: Verantwortung. Diese kann sich sowohl auf den Schutz einer Gruppe von Personen als auch auf die Verantwortung eines Projektes beziehen. Zweitens: Vertrauen. Drittens: Respekt. Autorität ist eine Beziehung zwischen Menschen.

Autorität kann auf drei Ebenen ausgeübt werden.

Die erste Ebene bezieht sich auf die Autorität, die ein Mensch über sich selbst ausüben kann. Hier treffen „Autorität ausüben“ und der „Autorität unterliegen“ in derselben Person zusammen. Es geht darum, die Verantwortung, zu der man sich selbst gegenüber verpflichtet ist, und das Vertrauen und den Respekt zu sich selbst, richtig umzusetzen. Der Philosoph, der sich meiner Meinung nach am besten mit dieser Frage beschäftigt hat, ist Kant mit seinen Kategorisches Imperativ.

Die zweite Ebene betrifft die Autorität, die man über andere ausübt.

Die dritte Ebene ist die – von anderen ausgeübte- Autorität, der man unterliegt. Vertrauen ist hier die notwendige Bedingung, um die Autorität anderer über einen selbst zu akzeptieren.

Die Gründe für die Akzeptanz externer Autorität können mindestens drei sein. Erstens: Diejenige Person, die nicht in der Lage ist, Autorität über sich selbst auszuüben - entweder in allen oder nur in einigen Aspekten ihres Lebens; zum Beispiel ein Kind, ein Lehrling, ein kranker Mensch. Zweitens: Diejenige Person, die aus freien Stücken einen Teil der Autorität an eine andere Person überantwortet; zum Beispiel im Falle der gemeinsamen Verwirklichung eines Projekts.  Drittens: Diejenige Person, die ihre Freiheit unfreiwillig verloren hat und damit die Autorität anderer akzeptieren muss. In diesen Fall, in dem eine Person oder einer Gruppe die Autorität von anderen zu akzeptieren gezwungen ist, spricht man von Strafe, Zwang, Sklaverei, Tyrannei oder Diktatur.

Autorität kann direkt oder indirekt ausgeübt werden.

Direkte Autorität wird persönlich von einer Person über andere ausgeübt (Eltern, Lehrern, Ärzte). Wenn diese Autorität ohne Zwang ausgeübt wird, wird sie auch als natürliche Autorität bezeichnet. Natürliche Autorität beruht auf dem Vertrauen, das die Person, die sie empfängt, in die Verantwortung desjenigen setzt, der sie ausübt. Das kann das Vertrauen des Kindes gegenüber der Autorität seiner Eltern sein, das Vertrauen einer Gruppe von Wanderfreunden gegenüber der Autorität ihres Bergführers sein oder auch das Vertrauen in die Autorität eines Vorgesetzten bei der Verwirklichung eines Projekts.

Indirekte Autorität beruht auf der Berufung auf die Autorität von Bräuchen, religiösen Normen oder Gesetzen. Diese Autorität stützt sich auf Kriterien, die über die einzelnen Personen hinausgehen, d. h. die Kriterien der Verantwortung und des Vertrauens sind nicht mehr „persönlich“, sondern „unpersönlich“. Damit sollen Stabilität und Neutralität in der Anwendung der Autorität erzielt werden. Wenn solche unpersönlichen Kriterien von der sozialen Gruppe allgemein akzeptiert werden, insbesondere die Gruppenmitglieder eine Partizipations-Chance in der Formulierung der Kriterien haben, bezeichnet man sie als „demokratisch“. Wenn sie aufgezwungen werden, werden sie als „autoritär“ bezeichnet.

Der Philosoph, der sich meines Erachtens am besten mit der Frage der Autorität in einer sozialen Gruppe auseinandergesetzt hat, ist Hobbes. Seiner Ansicht nach erklären sich die Menschen durch Vertrag bereit, einen Teil ihrer Freiheit aufzugeben und einer externen Autorität zu gehorchen. So wollen sie den Frieden sichern und damit Handel, Industrie und Wissenschaft ermöglichen. Der Vertrag ist ungültig, wenn diese Abtretung ihrer Rechte an eine andere Person oder andere Personen den Frieden nicht oder nicht mehr garantiert.

Die Ausübung und der Erhalt der natürlichen Autorität und der „demokratischen“ Autorität sind stets von drei Gefahren bedroht: Erstens: Zynismus und Heuchelei, da sie auf mangelndes Verantwortungsbewusstsein hindeuten und das Vertrauen untergraben; zweitens: mangelndes Wissen, da es zu zügelloser Leichtgläubigkeit oder unnötigem Unglauben verleitet; sowie drittens: eine Notlage oder fehlende finanzielle Mittel, da sie den Einzelnen der Gnade eines anderen ausliefern.

Isabel Viñado Gascón

 (Dieser Artikel erschien erstmals in MoMo PubTalk am 02.June.2024)

 

 

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