Ich
möchte vier Werke vorschlagen: „Defensor Pacis“ (Verteidigung des
Friedens) (1324) von Marsilius von Padua; „Discours de la servitude
volontaire“, von Étienne de la Boétie, (15747 1576); „Der Leviathan“
(1651) von Hobbes; „Zum Ewigen Frieden“ (1795) von mmanuel Kant.
Alle
diese Autoren thematisieren die Voraussetzungen für Frieden. De La Boétie fragt
sich, warum es Menschen gibt, die freiwillig die Knechtschaft akzeptieren. Er
antwortet: weil sie sich irren. Menschen, die freiwillig gehorchen, sind alle davon
überzeugt, keine andere Möglichkeit zu haben. Die Wahrheit aber ist, dass ohne
die „Kollaboration“, sei diese passiv oder aktiv, sich keine Macht halten kann.
Wenn
die meisten Menschen den Frieden verfolgen, stellt sich die Frage, wann sie für
die Gewalt bereit sind.
Eine
erste Antwort würde lauten: Selbstverteidigung. Sie ist gegeben, wenn die
eigene Sicherheit und Freiheit in Gefahr sind. Die meisten Menschen würden darunter
auch die Sicherheit und Freiheit von denjenigen verstehen, die ihnen am
nächsten stehen.
Damit
ist nicht alles geklärt. Wichtig ist zu wissen, was Sicherheit und Freiheit
bedeuten. Im Prinzip sieht so aus, dass Gewalt zu üben, mehr Unsicherheit mit
sich bringt. Fast jeder wird verstehen, dass ein Mensch, der nicht kämpft, weniger
bedroht von Tod oder Gefängnis ist.
Es
ist in solchen extremen Situationen, wenn die Begriffe „Sicherheit“ und
„Freiheit“ ihren tiefsten und wahren Inhalt und Bedeutung zeigen.
Erstens:
In Situationen, in denen die Menschen von anderen Tieren angegriffen werden,
verschwindet die Dichotomie Sicherheit/Freiheit. Der Begriff „Sicherheit“ wird
das erste Ziel werden.
Wenn
die Menschen dagegen von anderen Menschen angegriffen werden, verschwindet die
Dichotomie Sicherheit/Freiheit ebenfalls. Aber: Der Begriff „Freiheit“ wird jetzt
das erste Ziel werden.
Zweitens:
In Situationen, in denen die Menschen von anderen Tieren oder von anderen Menschen
angegriffen werden, wird man nicht mehr für abstrakte Begriffe kämpfen, und
auch nicht für „Perspektiven“. Man kämpft für gänzlich Konkretes. Nicht für das
Leben, sondern für „mein“ Leben, „meine Familie“, „mein Rudel“; nicht für das
Vaterland, sondern für „mein Haus“, „mein Grundstuck“, „meine Heimat“.
Warum
wird die Freiheit das erste Ziel bei einem Angriff zwischen Menschen?
Nicht
weil die Freiheit ein erstes Axiom ist, sondern weil die Freiheit das
Instrument ist, das die Entwicklung, Ausbildung und Leistung dessen ermöglicht,
was aus einem Lebenswesen einen Menschen macht: das Denken. Das radikale Denken.
Das heißt: nicht das Denken als Verstand oder als kognitive Fähigkeit, sondern
das Denken als existenzielle Vernunft, was sowohl die kognitive Fähigkeit wie den
emotionalen und existenzialen Aspekt umfasst. Das heißt: kein fremdes Dogma als
Grenze, als Barriere, für dieses radikale Denken. In der Praxis drückt sich
dieses Denken in und durch freie Meinungsäußerung aus.
Das
ist der Grund, warum die Tyrannen Bücher verbrennen. Es sind nicht die Seiten
aus Papier, die sie verbrennen, sondern das Denken, das in diesen Seiten
enthalten ist.
In
Friedenszeiten ist das Denken abgesichert, so dass die Menschen nicht viel
darauf achten. Es scheint dann, als ob die Sicherheit das Wichtigste wäre, um
diese Frieden erhalten zu können.
In
Diktaturen ist Frieden dagegen nur einen Schein, weil nur Gewalt und
Unterdrückung diesen „Frieden“, nämlich die herrschende Ordnung, absichern.
Entweder revoltieren die Menschen oder sie gewöhnen sich an die Knechtschaft
und leben damit friedlich, weil sie nichts etwas anderes kennen. Für diese
Menschen würde Freiheit ein Synonym für Unordnung, Chaos sein.
Wenn
eine Gruppe von Menschen von anderen Menschen angegriffen wird, ganz gleich auf
welche Art und Weise, werden alle Menschen, die angegriffen worden sind in
ihrem tiefsten Inneren als Mensch konfrontiert. Sie müssen sich fragen, „wofür“
die Freiheit und das Leben, für die sie zu kämpfen und in letzte Konsequenz zu
streben bereit sind.
Ich
würde sagen: für das Menschlichste, was es gibt: das radikale Denken. Dafür das
Menschenleben. Dafür die Menschenfreiheit.
Isabel
Viñado Gascón
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