Ein Aspekt, der in der Regel übersehen wird, wenn man den Begriff Eigentum analysiert, ist der etymologische: Meiner Meinung nach, - ist es aber genau hier, wo sich die wahre Natur des Eigentums findet.
„Eigentum“ - auf Deutch, „eigendom“
- auf Niederländisch; „propiedad“ - auf Spanisch, „propieté“ auf
Französisch und „property“ - auf Englisch. Diese wenigen Beispiele
zeigen: Dem Begrifft „Eigentum“ inhärent ist die Idee, dass „Eigentum“ etwas
Natürliches und in Bezug auf uns Wesentliches ist.
Wenn
man auf Deutsch die Ähnlichkeit zwischen Eigentum und Eigenschaft nicht
verneinen kann, so ist in den romanischen Sprachen, das Wort für beide Begriffe
eine und dasselbe: „Propiedades“. So wie die Mineralien und andere Wesen,
eigene „Eigenschaften“ („propiedades“) haben, die sie wesentlich definieren,
haben die Menschen auch materielle Eigenschaften, die sie „Eigentum“ nennen,
die auch natürlich zu ihnen selbst sind.
Etymologisch
gesehen impliziert Eigentum, dass es etwas von uns, Untrennbares ist.
Sehr
wahrscheinlich hatte Aristoteles diese Idee im Blick als er in
der „Nikomachischen Ethik“ meinte, dass es notwendig ist, Eigentum
zu haben, bevor man mit dem Denken anfangen kann; dass das Eigentum das eigene
Überleben – das ist: das eigene Sicherheit, und in Konsequenz auch die
notwendige Freiheit – erst erlaubt.
In
der Antike sieht sich der Mensch als Teil des Makrokosmos. Die Familie ist der Mikrokosmos,
dessen Dominus er ist. Der Dominus hat Macht über das Leben und dem Tod seiner
Kinder und Sklaven. Aber anders als im 19. Jahrhundert werden Kinder und
Sklaven als Eigentum und nicht als „Ausbeutung des anderen“ betrachtet, so dass
es eine ganze Reihe von Gesetzen gibt, die bestimmen, wie sie zu behandeln sind
und wie Kinder und Sklaven die Mündigkeit – das heißt: die Freiheit – erlangen.
Was
die Frau betrifft, sind die Begriffe Frau und Eigentum historisch miteinander
verbunden. Eine Frau ist in der Lage Eigentum zu haben oder nicht, je nachdem,
welche andere Eigenschaften sie besitzen darf, nach ihrer metaphysischen
Betrachtung des historischen Momentes in dem sie lebt. In historischen Phasen,
in denen sie keine Seele besitzt, darf sie auch kein Eigentum besitzen.
Da
der Mensch Leib und Seele ist, sind materielles Eigentum und geistige
Eigenschaften untrennbar miteinander verbunden. Daher geht die Ausübung von
Tugenden Hand in Hand mit der Ausübung von Eigentum (und nicht nur mit der
Ausübung von Eigenschaften). Durch die richtige Entwicklung seiner Haupt- und
Nebentugenden verwaltet ein guter Dominus folglich seine Eigenschaften und sein
Eigentum richtig. Ein Dominus muss über die positive Ausübung seiner Tugenden
wachen und darf sich nicht auf dem Weg verirren und nicht zulassen, dass
entweder schlechte „Qualitäten“ ihn seiner eigenen Eigenschaft und sein
Eigentum verlustig gehen, an schlechte Ratgeber und Usurpatoren.
So
wie er mit seinen Tugenden seine Eigenschaften wacht, muss er auch über sein
Eigentum wachen. Es ist gerade der Geist, der in der Etymologie des Wortes
enthalten ist, was erklärt, warum ein Individuum sein Eigentum auch mit Gewalt
verteidigen kann. Es darf das, weil Eigentum etwas ist, das - genau wie unsere
Eigenschaften -, ihm auf natürliche Weise gehört, was uns als Mensch definiert.
Je nachdem wie wir unsere Tugenden und Anstrengung ausüben, darf man mit Gewalt
verteidigen: Freiheit und Würde; Eigenschaften und Eigentum.
Und
so wie durch die Tugenden die Eigenschaften entwickeln und verbessern können
und ohne die Tugenden die Eigenschaften aufgegeben und verdorben werden, wird
durch die Tugenden das Eigentum gut gepflegt und vermehrt werden, und ohne sie
wird das Eigentum vernachlässigt werden und verloren gehen. Das ist es, was Gogol
in seinem Werk „Tote Seelen“ zeigt. Es geht nicht darum, viel
Eigentum zu haben, sondern darum, es gut zu verwalten. Die Charaktere des
ersten Teils des Werkes haben etwas Gemeinsames. Sie alle haben die meisten
ihrer Tugenden vernachlässigt. Das hat Verwahrlosung zu Folge - das maßlose
Wachstum des Unkrauts sowohl bei ihren Eigenschaften als auch bei ihrem
Eigentum.
Die
positive Figur in Gogols Werk ist jemand, der sich um seine spirituellen
Eigenschaften ebenso kümmert wie um sein materielles Eigentum: durch die
Ausübung der Haupt- und Nebentugenden. Deshalb kann man aus Gogols Werk herleiten,
dass das Land nicht für den, der es bearbeitet, sondern für den, der es
bewirtschaftet. Unmündigkeit oder Mündigkeit, sind aufs Engste verbunden
mit der Entwicklung der eigenen Eigenschaften und des Eigentums. Man kann
sowohl das Materielle Eigentum und die geistlichen Eigenschaften vertuschen und
ausnutzen, um die soziale Macht, Ehre und öffentliche Anerkennung zu bekommen,
oder man kann beides einsetzen, um die Gesellschaft zu verbessern.
Das
gewonnene Eigentum durch Eroberung wird gleichgesetzt mit den
Eigenschaften, die durch Anstrengung erreicht werden. Dagegen haben Worte wie
„Besetzung” und “Usurpation” eine absolute negative Bedeutung; sie führen in
Bedeutungen wie „Raub“ und „Diebstahl“.
Ein
Wort zu Erbschaft: Da nicht jede Eigenschaft von den Eltern vererbt
wird, kann man auch nicht verlangen, jedes materielle Gut von ihnen zu erben.
Auf
Grund der etymologischen Bedeutung wäre das Verbot des Eigentums auf privater
Ebene eine Unmöglichkeit, da es bedeuten würde uns selbst zu verbieten.
Sozial
betrachtet ist das Thema des Eigentums komplexer.
Ein erster Grund ist die Diversität. In der Gesellschaft interagieren
miteinander mehrere Eigentümer - jeder von ihnen mit ihren eigenen
verschiedenen Eigentümern und Eigenschaften. Der zweite Grund ist ökonomisch.
Während die Akquisitionswünsche grenzenlos sind, sind die Ressourcen begrenzt.
Der dritte Grund hat mit der Organisation der Prioritäten zu tun. Wie Jules
Vernes in seinem Werk Die Schiffbrüchigen der “Jonathan“, zeigt, würde
sogar auf einer einsamen Insel Anarchismus eine Utopie bleiben.
Gleichzeitig
und ähnlich wie bei den Individuen, bleiben Eigentum und Tugenden auch auf der gesellschaftlichen
Ebene eng verbunden. Eine Gesellschaft kann es sich nur leisten,
konsumorientiert zu sein, wenn sie ihre Tugenden im gleichen Verhältnis ausübt.
Wenn eine Gesellschaft Tugenden wie Disziplin, kritisches Urteilsvermögen und
eine gewisse Stabilität in der Hierarchie ihrer eigenen Prinzipien aufgibt,
wird es ihr gleichgültig sein, ob sie materielle oder spirituelle Güter
konsumiert. Die Schlussfolgerung wird, dass sie am Ende entweder der
materialistischen Barbarei oder der spirituellen Barbarei erliegen wird.
Die
Entwicklung und Ausübung der Grundstücke stellen einen bemerkenswerten Aufwand
dar. In diesem Sinne glaube ich, dass Albert Schweitzer recht hat, wenn
er in seinem Werk „Kulturphilosophie“ sagt, dass Ethik und Optimismus
die notwendigen Haltungen sind um dies zu erreichen.
Meiner
Meinung nach sollten vier Bereiche vom Staat geschützt werden: die Justiz, das
Bildungswesen, das Gesundheitswesen und der öffentliche Verkehr, und zwar aus
dem einfachen Grund, dass es sich nicht um Eigentum im engeren Sinne, sondern
um Dienstleistungen der Daseinsvorsorge handelt, und damit um kollektive Güter.
Das heißt nicht, dass ich gegen private Dienstleistungen bin. Beide Sphären sollen
konkurrieren. Aber das bedeutet nicht, dass, die privaten Dienstleistungen
automatisch besser werden, weil privat und nicht öffentlich, wären. Deshalb bin
ich überzeugt, dass die Bürger Steuern bezahlen sollen: damit die Konkurrenz
fair wird. In Bezug zu diejenigen, die mehr haben, sollen sie mehr Steuer
bezahlen, nicht nur weil sie mehr verdienen, sondern weil sie auch mehr
Ressourcen konsumieren (können). Das alles verlangt öffentliche Pluralität und
öffentliche Diskussion; Meritokratie statt demagogischen Egalitarismus. Das
ist: Freiheit, zusammen mit Ethik und Optimismus, von denen Schweitzer
gesprochen hat.
Isabel
Viñado
(Dieser Artikel erschien erstmals in MoMo PubTalk am 12.11.2023)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.