Das erste Buch, das ich von Virginia Woolf gelesen habe, war „Mrs. Dalloway“, 1925 veröffentlicht. Ich muss meine Vorurteile gegen es zugeben. Ich hatte vom Bloomsbury Kreis gehört und ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Roman etwas anderes als eine literarische Exzentrizität wäre.
Was ich aber endeckte, war ein angenehmes Buch. Es zeigt die Anstrengungen einer Frau, um ihren „Garten der Lüste” zu schaffen, ohne dabei ihre täglichen Pflichten zu vernachlässigen. Sie versucht zu „sein“, ohne in ihr „Ich“ eingesperrt zu bleiben.
„Sein“ von innen nach außen; sich um die kleinen Dinge sorgfältig zu kümmern; Person werden, ohne auf die weiblichen Merkmale verzichten zu wollen. Darin besteht nach Virginias Meinung das Leben einer Frau.
Um dieses Ziel zu erreichen, benötigt man die Liebe und die Freundschaft. Nur mit diesen Elementen kann sich die Persönlichkeit richtig entwickeln und blühen.
In „Mrs. Dalloway“ ist die Welt der Feministinnen als eiskalt beschrieben. Wegen ihrer manichäistischen Trennung zwischen „Mann und Frau“ kastrieren die Feministinnen jede spirituelle und intellektuelle Freiheit. Die Hauptfigur, Clarissa Dalloway, ist tief überzeugt davon, dass ihre Ansprüche ein Gefängnis für die Seele bedeuten.
Virginia Woolf wollte verhindern, dass sie beim Leser einen falschen Eindruck erwecken würde. Ihre Einstellung zum Feminismus in „Mrs. Dalloway“ war kein bloßes Argument für einen Roman. 1929 erschien ihr Text „Ein eigenes Zimmer“. Es handelte sich um einen Essay, in dem sie ihre Betrachtung über die Situation der Frau in der Gesellschaft schilderte.
In erster Linie behauptet Virginia Woolf, dass der Mann der Frau weder intellektuell noch spirituell überlegen sei.
Zwei Gründe erklären, dass traditionell das Gegenteil behauptet wurde: Zum einen war die Frau in der Regel ärmer als der Mann. Zum anderen hat die Frau nie über ein eigenes Zimmer verfügt. Deshalb - meint Virginia Woolf - haben Frauen hauptsächlich Romane geschrieben. Sie benötigen weniger Konzentration als andere literarische Genres.
Was die Armut betrifft, so beeinflusst sie Frauen und Männer in ihrer intellektuellen und geistigen Entwicklung gleichermaßen. Um dieses These zu untermauern, nimmt Virginia Woolf zwölf männliche Dichter als Beispiel. Darunter waren neun Akademiker. Das heißt sie besaßen ausreichende ökonomische Mittel, um studieren zu können. Von den anderen drei, gehörte einer zur einen wohlhabenden Familie; ein anderer verfügte über eine kleine Rente und der dritte schließlich war der ärmste von allen und ist jung gestorben.
Virginia Woolfs Schlußfolgerung ist, dass die geistige Freiheit von den materiellen Umständen ab. Die Dichtkunst hängt ihrerseits von der geistigen Freiheit ab. Und Frauen sind fast immer arm gewesen.
Dieser Kreis kann nur auf Grund der ökonomischen Unabhängigkeit der Frauen durchbrochen werden. Das eigene Zimmer symbolisiert dabei jene Unabhängigkeit.
Die ökonomische Selbständigkeit ist für Virginia Woolf extrem wichtig. Sie behauptet, dass sie vor die Entscheidung gestellt, zwischen dem Frauenwahlrecht und einer Rente von 500 Pfund Sterling zu wählen, sie sich sofort für die fünf hundert Pfund Sterling entscheiden würde.
In zweiter Linie versucht Virginia Woolf die Gegengesätze Begriffe „Frau“ und „Mann“ zu überwinden. Virginia Woolf führt die androgyne Figur ein. Sie definiert sie nicht ausführlich. Deshalb ist sie leider mit Missverständnissen und Ungenauigkeiten beladen. Für die einen ist sie ein irdischer Engel; für die anderen ist diese Figur ein Hybrid, eine Art Synthese zwischen Mann und Frau. Nichts davon meint Virginia Woolf.
Aus dem Buch können zwei Betrachtungen aus dem Begriff „androgyn“ ableiten werden. In einem ersten Moment bedeutet das Androgyne so viel wie „schöpferischer Geist“. Seine Natur ist genauso männlich wie weiblich. Wenn der Künstler ein Mann ist, überwiegen die männlichen Merkmale. Wenn der Künstler eine Frau ist, sind es die weiblichen, die dominieren. Das heißt, dass sich jeder Künstler unabhängig von seinem Geschlecht entwickelt kann, aber nicht auf es verzichten muss. Es ist sogar wichtig, dass im künstlerischen Schaffen jeder Künstler sein eigenes Geschlecht zu behalten weiß. Was Virginia Woolf an Jane Austen so sehr bewundert, ist der Umstand, dass sie immer als Frau geschrieben hat.
In einem zweiten Moment benutzt Woolf den Begriff des „Androgynen“, um ihn durch den Begriff „Person“ zu ersetzen. Es war vermutlich die Absicht von Virginia Woolf, die negativen Konnotationen und historischen Vorurteile, die der Begriff „Person“ mitgeschleppt hat, zu überwinden.
„Person“ war nur derjenige, der sich als Individuum entwickeln konnte. Die Frau fiel nicht in diese Kategorie. In der Tat: Im Laufe der Geschichte, in Romanen genauso wie in wissenschaftliche Studien hatte man den Frauen ihre Stellung als „Person“ und sogar ihre Seele bestritten.
Der schöpferische Geist ist androgyn. Er ist der Begriff, mit dem die Geschlechtsunterschiede überwunden, aber nicht aufgehoben sind. Nur durch ihm kann die Frau ihre Legitimation als Individuum erreichen. Nur durch ihn kann sich die Frau nicht nur zum Wissen, sondern auch zum Sein wagen.
Virginias Vorwurf an die Feministinnen ihrer Zeit ist die Ablehnung ihrer Weiblichkeit und ihr asexuelles oder männliches Auftreten.
Dieser Vorwurf spiegelt Woolfs Ängste: Das Eingeschlossensein in sich selbst; die Tatsache, dass das „Ich“ sich nur mit sich selbst beschäftigt. Die Feministinnen als Gruppe betrachtet, bilden ein kollektives „Ich“, das unfähig ist, aus sich selbst heraus zu kommen. Deshalb werden sie - unabhängig von jeder moralischen Bewertung - langweilig.
Die Langeweile, das Eingesperrtsein in sich selbst ist ein Hindernis für die intelektuellen Entwicklung. Sie verwandelt sich in Apathie und Inaktivität. Die „Anstrengung um aus sich heraus zu gehen“, ist die Lösung für eine solche Situation. Außerdem funktioniert sie auch wie der Motor, den jede Unternehmung braucht.
Auf jeden Fall: Virginia Woolf legt Wert darauf zu betonen, dass die Frau in diesem Prozess ihrer „Bewußtwerdung von sich selbst“ nicht als Anti-Frau auftreten soll. Der Feminismus soll ein breiteres Konzept vertreten. Er muss sich aus den Kampf der Geschlechter befreien, weil dies das künstlerische Schaffen verhindert.
Nach Virginias Meinung erfordert der schöpferische Geist eine Zusammenarbeit zwischen Mann und Frau, damit die Kunst vollkommen sein kann. Es soll eine „Hochzeit“ zwischen den Gegensätzen geben. Der schöpferische Geist darf auch nicht ein geschlossenenes Absolutum werden. Damit die künstlerische Aktivität ehrlich und geistreich sein kann, müssen Freiheit sowie Frieden existieren.
Anscheinend haben in unsere heutigen Tagen die Ideen von Virginia Woolf über die der ersten Feministinnen triumphiert. Die aktuelle Frau partizipiert am Arbeitsmarkt, ohne das Interesse für die Mode und die Schönheit aufzugeben. Sie hat eine enorme Dosis Unabhängigkeit gewonnen - nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in ihren Beziehungen.
Ist das wirklich so? Haben sich die intelligenten Frauen von der Strafe befreien können, die ihnen Isaac B. Singer in seinen Romanen auferlegt hat?
Nur dem Anschein nach.
Es gibt ein Thema in Virginias Woolf Buch, mit dem sie sich nur einmal beschäftigt: Die Mutterschaft.
Wie sehr die Mutterschaft und die Kindererziehung das schöpferische Schaffen verhindert ist eine Frage, die sie nur im Vorbeigehen bespricht. Statt dessen kümmert sie sich lieber um den schöpferischen Geist und die Notwendigkeit eines eigenen Einkommens. Vielleicht, weil das Thema der Mutterschaft ein zu kompliziertes und delikates zu sein scheint.
Es ist in der Tat ein extrem schwieriges Thema.
In unseren Tagen sollte auf die Frage nach der Mutterschaft auch die Frage nach der Vaterschaft hinzugefügt werden.
Nächste Woche werden wir dieses Thema analisieren. Wir werden die Risiken auf uns nehmen, uns in sumpfige und treibsandige Gebiete hineinzubegeben, ohne ein Buch als Hilfe zu haben.
Vielleicht wird ein Rettungshochschreiber nötig sein?
Bis zur nächsten Woche!
Isabel Viñado
Gascón
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