Samstag, 23. Februar 2013

DIE ZEITEN LUDWIGS XIV (1751) FRANÇOIS AROUET, VOLTAIRE


Es gibt gute Bücher und andere, die nur genial genannt werden können. Dieses von Voltaire gehört zu der letzteren Kategorie. Nie in meinem Leben – außer der „Die Geschichte der Eroberung der Neuen Spaniens“ von Bernal Díaz del Castillo -  hatte ich ein so interessantes, präzises und gut geschriebenes Geschichtsbuch in meinen Händen gehabt.

Die Heiterkeit seiner Feder, der Scharfsinn seines Geistes und die Tiefe und Gründlichkeit seines Denken nehmen den Leser in Bann. Was an den Aufklärern beeindrückt –ob sie Montesquieu, Voltaire oder Kant heißen – ist die Präzision ihrer Analysen so wie ihr gesunder Menschenverstand. Ihre Hauptanspruch besteht darin, dass die Menschen über die nötigen Mitteln verfügen sollen, damit sie sich nach ihren Temperamente und Fähigkeiten entwickeln können. Nur so sind sie imstande, rational und tugendhaft zu handeln statt gezwungen zu sein, den Ansichten von Machtgruppen zu folgen – ganz gleich, ob diese Machtgruppen staatliche, ökonomische oder religiöse sind. Die Bezugnahme der Aufklärer auf die Ausübung der Tugend hat rein praktische Gründen: Ihre Absicht ist es nicht, dass die Menschheit eine heilige wird, sondern dass die Gesellschaften überleben können.

Kurzum: Was kann man über ein geniales Buch sagen – genial von der ersten Seiten an -, das an Aktualität nicht eingebüßt hat. Die Ereignisse sind Vergangenheit. Aber die Umstände von heute und gestern sehen sehr ähnlich aus. Zum Beispiel: Der Gedanke, dass Edelmetalle allein noch nicht den Reichtum eines Staates ausmachen. Seiner Meinung nach bilden der Handel, die Industrie und die Landwirtschaft die eigentlichen Aktivitäten, die Reichtum erschaffen. Trotz vieler Gegenstimmen, kann  diese Behauptung immer noch als zutreffend betrachtet werden. Viele Ländern, die ihre Einkunfte aus Erdöl und anderen Bodenschätzen erzielen, unterdrücken ihre Bevölkerung durch manifeste Armut und Unbildung. Weder Voltaire noch Montesquieu halten Gold oder andere Edelmetallen für das Allheilmittel, als das viele es heutzutage sehen wollen. Gold kann nicht ernähren. Den Reichtum eines Landes kann man nur erschaffen durch die Herstellung von Gütern, Lebensmitteln und Kultur. Alles das kann man nicht aus eine Bergwerk fördern, sondern aus dem Geist und den Anstrengungen einer Bevölkerung. Der Staat ist verpflichtet, die Aktivität seiner Bürgerinnen und Bürger zu fördern. So gesehen ist die Friedenssicherung nach Voltaire die erste Aufgabe des Staates; die zweite ist der Schutz der Produktion eines Landes gegenüber den Importen  aus dem Ausland; die dritte, die Bürgerinnen und Bürger richtig auszubilden, um die Herstellung der Produkte zu verbessern. Deshalb misst Voltaire dem praktische Wissen, das die Engländer in seiner Zeit entwickelten, einen höheren Stellenwert bei als dem didaktischen oder theoretischen Wissen, das durch Descartes symbolisiert wird; die vierte ist die Toleranz; die fünfte Hauptaufgabe des Staates die radikale Trennung zwischen Kirche und Staat.

Das Thema der Staatsverschuldung macht Voltaire auch Sorgen. In seinen Zeit waren die Ursache hierfür die ständigen Kriege. Heute ist die Staatsverschuldung meiner Meinung nach auf zwei Gründe zurückzuführen: Der erste liegt in der unbeschränkten Gier der Finanzwelt. Der zweite Grund:  Die Virtualität überzieht heutzutage das Reale. Die Realität ist von einem dünnen Nebel umhüllt, den viele nicht durchdringen können (oder wollen). Dennoch: Die Realität setzt sich am Ende immer durch. Sie zu negieren, bedeutet noch lange nicht, sie zu verändern. Früher oder später tritt die Härte der Realität ans Licht. In diesem schwierigen Erwachen sind wir jetzt.

Die Voltaire-Ausgabe, die ich benutzt habe, ist: „Le siècle de Louis XIV” Voltaire. Bibliothèque classique. Le livre de poche. Librairie Générale Française, 2005. Édition établie, présentée et annotée par Jacqueline Hellegouarc’h et Sylvain Menant. Die Übersetzungen der Zitate sind meine eigenen. Sie erscheinen in Begleitung der Originaltexte.

Voltaires eigentliche Absicht – laut seiner eigenen Bemerkungen - ist ein Werk zu schreiben, das nicht nur vom Leben Ludwig XIV handelt, sondern vielmehr von dem Geist dieses Jahrhunderts, das Voltaire als das aufgeklärteste aller Jahrhunderte bezeichnet. Ihn interessieren die Ereignisse, die dazu dienen, die Liebe zu Tugend, Künsten und Heimat zu lehren. S.127) « On ne s’attachera, dans cette histoire, qu’à (…) ce qui peut servir d’instruction et conseiller l’amour de la vertu, des arts et de la patrie.

Er äußert auch seine Absicht, das Thema der katholischen Kirche zu behandeln . Seiner Meinung nach neigt sie nämlich dazu, sich eher in die Politik und in die menschlichen Leidenschaften einzumischen als sich um die Lehre der Moral kümmern. (S.127)  (…) Enfin on parlera de l’Église, qui depuis si longtemps est liée au gouvernement (…) et qui, instituée pour enseigner la morale, se livre souvent à la politique et aux passions humaines.

Das Buch besteht aus zwei Bänden.

Der erste Band umfasst  Kapitel eins bis Kapitel dreiundzwanzig um. Es behandelt vor allem die französische außen Politik während der Regierungszeits Ludwigs XIV.

In diesem ersten Band erscheinen vor allem drei Hauptideen:

A.    Das christiliche Europa kann als eine Republik verschiedener Nationen betrachtet werden.

B.     Die nutzlosen Kriege, die meistens durch die Willkür und Unfähigkeit der verschieden Könige und Generale begonnen worden sind, verarmen Europa.

C.    Der Friede besteht aus einem (militärischen) Gleichgewicht der Kräfte zwischen den Nationen.

Voltaire beschreibt die Hauptzüge der verschiedenen europäischen Nationen sowie die Kriege, die Europa verarmt und verwüstet haben. Noch nicht einmal sein pflegmatischer Charakter und der Wunsch, die französischen militarischen Siege zu loben, bringen ihn dazu, seine Abneigung gegenüber kriegerischen Konflikten zu verheimlichen.

Voltaire schlussfolgert, dass die Könige sich in militärische Unternehmungen stürzen, ohne sich um die menschlichen Kosten zu kümmern, sondern nur um die ökonomischen.

Nach der Lekture dieses Buches könnte man sagen, dass die europäische Geschichte die Geschichte der Kriege und der Friedensverträge ist. Die Geschichte der Kriege, die die Könige –nicht aus Notwendigkeit, noch nicht einmal aus nationalen Interesse, sondern wegen ihrer Laune und Willkür- verursachen. Und die Geschiche auch der Friedenverträge, die die Regierungen zu unterschreiben gezwungen sind, bevor sie die nächste kriegerische Aktion anfangen.

A.   Das christliche Europa als eine Republik verschiedene Nationen

Voltaire denkt, dass man das christliche Europa als eine Republik verschiedener Nationen und Regierungsformen – Monarchie, Aristocratie, Populär - sehen kann.

Trotz aller Unterschiede  gibt es zwei Elemente, die sie verbinden. Zum einen die Religion: Sie ist die selbe für alle, auch wenn sie in verschiedene Konfessionen getrennt ist. Zum anderen die juristischen und politischen Prinzipien, die das Mächtegleichgewicht durch zwischenstaatliche Verhandlungen –sogar im Kriege - erlauben.

(S. 128) Il y avait déjà longtemps qu’on pouvait regarder l’Europe chrétienne (à la Moscovie près) comme une grande république partagée en plusieurs États (…) tous ayant un même fond de religion quoique divisés en plusieurs sectes ; tous ayant les mêmes principes de droit public et de politique inconnus dans les autres parties du monde. C’est par ces principes que les nations européennes (…) s’accordent surtout dans la saga politique de tenir entre elles, autant qu’elles peuvent, une balance égale de pouvoir, employant sans cesse les négociations, même au milieu de la guerre.

Die wesentliche Einheit, die Voltaire in Europa beobachtet, führt ihn zu der Behauptung, dass die meisten Kriege zwischen den christlichen Fürsten Europas eine Art Bürgerkriege seien. (S. 390) « La plupart des guerres entre les princes chrétiens sont des espèces de guerres civiles. »

Angesichts dieser Ähnlichkeiten, die die Europäer verbinden, überprüft Voltaire den Charakter und die Sitten der Völker verschiedener europäischer Staaten. Außer Frankreich, analysiert Voltaire auch Deutschland, Spanien, England, Portugal, Holland, den Kirchenstaat, Italien, die Schweiz, die skandinawischen Staaten sowie die Türkei.

Spanien: Es ist wahr, dass Voltaire in seinem gesamten Werk keinen guten Eindruck Spaniens durchblicken lässt. Wie jeder guter Franzose mit höfischen Sitten bringt er Gründe vor, die nicht den wahren entsprechen. Meiner Meinung nach sind die wirklichen Gründe  für seine Verachtung gegenüber den Spaniern zweierlei.

Der erste Grund liegt in der unbeschränkten Unterstützung, die die Spanier der römisch-katholische Kirche – römisch vor allem - leisteten. Diese Unterstützung verstezte den Vatikan im Allgemeinen und die Kleriker im Besonderen in die Position, eine vorherrschende Rolle in den Angelegenheiten des Staates auszuüben. Voltaire ist sich bewußt, dass die Spanier in religiösem Obskurantismus verankert geblieben sind. Dies ermöglichte zwar den einflussreichen sozialen Gruppen ihre Privilegien und Macht bewahren, verhinderte aber gleichzeitig, dass sie sich den kritischen Geist der Aufklärung aneignen konnten.

Der Neid, der die Entdeckung Amerikas in der die französischen Seele stifte, ist der zweite Grund für Voltaires Haltung gegenüber den Spaniern. Die Franzosen hatten nie verstanden, wie ein Land wie Spanien – in ihren Augen ungebildet und grob - ein solches Unternehmen erfolgreich durchzuführen in der Lage war. Bis heute haben sie sich nicht von dieser Überraschung erholt. Vor allem, weil sie selber nie geschafft haben, was dieses „faule und lässige Volk“ in ihrer südlichen Nachbarschaft geschaft hat. Ihrer Meinung nach kann man dies wohl nur mit dem sprichwörtlichen dümmsten Bauern mit den größten Kartoffeln vergleichen.

Noch nicht mal die verschwenderische Art und Weise wie die Spanier den Reichtum aus Amerika in anderen europäischen Ländern, wie Italien und Holland ausgaben, und was für beide einen Antrieb für die dortigen Renaissancen bedeutete - hat die Franzosen trösten können. Ich bin mir sicher, dass dies für die Franzosen so etwas wie ein Akt göttlicher Gerechtigkeit war, die die universelle Ordnung wiederhergestellt hat. Auf jeden Fall – und zur Freude der Französen – blieben die Konsequenzen der Unfähigkeit der spanische Regierenden und die unendlichen Streitigkeiten zwischen ihren Untertanen nicht lange verborgen.  Voltaire bemerkt auf Seite 136: « La grandeur espagnole ne fut donc plus, sous Philippe III qu’un vaste corps sans substance, qui avait plus de réputation que de force. Philippe IV, héritier de la faiblesse de son père, perdit la Portugal par sa négligence, la Roussillon par la faiblesse de ses armes et la Catalogne par l’abus de despotisme. Si nos divisions et nos fautes leur donnaient à des peuples que leurs privilèges mettaient en droit de mal servir ; les Castillans avaient la prérogative de ne point combattre hors de leur patrie ; les Aragonais disputaient sans cesse leur liberté contre le Conseil royal, et les Catalans, qui regardaient leurs rois comme leurs ennemis, ne leur permettaient pas même de lever des milices dans leurs provinces. Ainsi ce beau royaume était alors peu puissant au-dehors et misérable au-dedans, nulle industrie ne secondait, dans ce climats heureux, les présent de la nature ; ni les belles laines de l’Andalousie et de la Castille n’étaient préparées par les mains espagnoles (…) »

Portugal. Von den Portuguiesen sagt Voltaire auf Seite 138, dass diese Handel aus Not betrieben, die Spanier dagegen ihn wegen ihres Stolzes vernachlässigt hätten. « Les Portugais cultivaient par nécessité le commerce que l’Espagne négligeait par fierté. »

Seine Vorliebe für Holland versteckt Voltaire nicht. Er hat dort als Gesandter der französischen Regierung gelebt. Er charakterisiert ihre Einwohner – Calvinisten, zumeist – als unermüdliche Arbeiter, die den Handel und die Freiheit liebten. Die holländische Ost-Indien-Companie erwirtschaftet jedes Jahr hohe Profite. Das verderbe die bescheidene Simplizität der hollandischen Bürger. Voltaire zufolge widersteht die holländische Bevölkerung dem Tyrannen Philippe II mit all ihren Kräften. (S. 139) « (…) résistèrent à toutes les forces de leur maître et de leur tyran, Philippe II (…) »  Außerdem seien sie unverbrüchlich mit den Französen verbunden, weil sie beide die selben Feinde hätten. Er sagt allerdings nicht  – wenigstens nicht in diesem Moment -, dass die Holländer auch mit allen ihren Kräften die Versuche von Ludwig XIV Holland zu erobern, Widerstand entgegen setzen werden. Sogar ihr eigenes Land werden sie überfluten, um einen französischen Sieg zu verhindern.

Mit dem holländischen Beispiel versucht Voltaire zu zeigen, dass Europas Geschichte auch die Geschichte der Freiheit ist. (S. 284) « La disette fut grande chez se peuples: ils manquèrent surtout d’eau douce (…) mais ces extrémités parurent moindres que l’esclavage. »

Voltaire beschreibt an zwei verschiedenen Stellen Ludwig XIV als gegensätzlichen Charakter zu Wilhelm von Oranje. Auf Seite 273 versichert er, dass Wilhelms phlegmatisches und unprahlerisches Temperament geeignet war, um gegen alle Widrigkeiten zu kämpfen. Er liebte den Krieg und kannte dabei weder die Freude der Pracht noch der Menschlichkeit. Das machte aus ihm den Gegencharakter von Ludwig XIV. « Le prince Guillaume d’Orange. Son humeur était froide et sévère ; son génie, actif et perçant ; son courage, qui ne se rebutait jamais, fit supporter à son corps faible et languissant des fatigues au-dessus de ses forces. Il était valeureux sans ostentation ambitieux flegmatique faite pour combattre l’adversité, aimant les affaires et la guerre, ne connaissant ni les plaisirs attachés à la grandeur ni ceux de l’humanité, enfin, presque en tout l’opposé de Louis XIV ».

Auf Seite 419 – im Zusammenhang mit Wilhelms Tod am 19 März im Jahr 1702 – behauptet Voltaire, dass die Vorliebe für Wilhelm oder Ludwig XIV von den Präferenzen abhänge, die jemand in Bezug auf bestimmte Herrschereigenschaften habe. Diejenigen, die einen Fürsten bewundern, der ein Königreich erworben hat, ohne ein Naturrecht darauf zu besitzen, der in der Regierung bleibt, ohne geliebt zu werden, der despotisch regiert, ohne zu  unterjochen, der die Fähigkeiten eines Generals und den Mut eines Soldaten hat und trotzdem niemanden wegen seiner Religion verfolgt, der menschlichen Aberglaube verachtet und sittenstreng ist, - diejenigen werden Wilhelm von Oranje vorziehen.

Diejenigen dagegen, die den Pomp eines glänzenden Hofes bewundern, die Förderung der Künste und des öffentlichen Wohls anstreben, die Leidenschaft für den Ruhm und die politische Begabung für das Regieren schätzen, werden ihre Vorliebe auf Ludwig XIV richten. Ceux qui estiment plus l’avantage d’avoir acquis un royaume sans aucun droit de la nature, de s’y être maintenu sans être aimé, d’avoir gouverné despotiquement la Hollande sans la subjuguer, d’avoir été l’âme et le chef de la moitié de l’Europe, d’avoir eu les ressources d’un général et le valeur d’un soldat, de n’avoir jamais persécuté personne pour la religion, d’avoir méprisé toutes les superstitions des hommes, d’avoir été simple et modeste dans ses mœurs ; ceux-là, sans doute, donneront le nom de grand a Guillaume plutôt qu’à Louis. Ceux qui sont plus touchés de plaisirs d’une cour brillante, de la magnificence, de la protection donnée aux arts, du zèle pour le bien public, de la passion pour la gloire, du talent de régner ; »

In England hat der Bürgerkrieg das Land verarmt. Der geniale Cromwell regiert als großer König. Dank seiner großen Fähigkeiten als Führer kann er alle seine Verbrechen als  Usurpator verdecken (S.142): « (…) dans son gouvernement couvrit des qualités d’un grand roi tous les crimes d’un usurpateur. »

An Deutschland lobt Voltaire seine Vorliebe für die Arbeit, seine Geduld und die Robustheit seiner Bevölkerung. Er bedauert dagegen, dass die Strenge seiner Sitten zusammen mit seinem Mangel an Geld, den Genuss der kleinen Freuden des Lebens verhindere. (S. 129) « L’empire d’Allemagne est le plus puissant voisin qu’ait la France ; (…) moins riche peut-être en argent, mais plus féconde en hommes robustes et patients dans le travail. (…) Chaque membre de l’Empire a ses droits (…) et la connaissance difficile de tant de lois, (…) »

(S.134) « L’Allemagne n’était point alors aussi florissante qu’elle l’est devenu depuis, le luxe y était inconnu, et les commodités de la vie étaient encore très rares, chez les plus grand seigneurs. (…) la gravité de mœurs et la lenteur particulière aux Allemandes les privaient de ces plaisirs. »

Am Kirchenstaat hebt er hervor, dass Festigkeit und Flexibiltät es ihm ermöglichten, so lange Zeit eine Vormachtstellung bewahren konnte. (Pg.145) « Je ne sais si une autre nation eût pu conserver si longtemps dans l’Europe tant de prérogatives toujours combattues: toute autre cour les eût peut-être perdues, ou par sa fierté, ou par sa mollesse, ou par sa lenteur, ou par sa vivacité ; mais Rome employant presque toujours à propos la fermeté et la souplesse, a conservé tout qu’elle a pu humainement garder. »

Der Rest Italiens ist geteilt. Sein politischer und ökonomischer Einfluß ist schwächer geworden. Trotzdem profitiert es immer noch von der Pracht vergangener Zeiten. Die Schweizer sind intelligente, freie und glückliche Menschen, wenn auch arm. Voltaire hält die europäischen Staaten des Nordens – Polen, Dänemark, Schweden und Russland - für weniger entwickelt. Sie neigten dazu, ihren Nachbarn zu mißtrauen und ihnen den Krieg zu erklären.

Die Türkei spielt eine zentrale Rolle in Europa. Faulheit und Grausamkeit erobern den Serail. Die Sultane sind trotz härtester Tyrannei zugleich unter allen Herschern diejenigen, die am wenigsten ihres Thrones und ihres Lebens sicher sind.

Trotz allem haben die Türken lange Zeit die größte Gefahr für die christliche Welt bedeutet. Dank ihre Erfahrung, Mut, Reichtum und ihre Ausdauer in der Arbeit haben die Türken halb Europa erobern können. Nach Voltaire ergab sich  die Rettung der europäische Länder nicht aus dem europäischen Widerstand, sondern aus den Lastern der türkischen Herrschern und aus der militärischen Unfähigkeit der türkischen Generäle. (S. 263) «  Il est certain que des vainqueurs tels que les Turcs, avec de l’expérience, du courage, des richesses, et cette constance dans le travail qui faisait alors leur caractère, devaient conquérir l’Italie et prendre Rome en bien peu de temps. Mais les lâches empereurs qu’ils ont eus depuis, leurs mauvais généraux et le vice de leur gouvernement ont été le salut de la chrétienté. »

Voltaire bleibt nicht gleichgültig gegenüber den Fehlern seines eigenen Landes. Von Frankreich sagt er, dass die Bevölkerung bis in die Zeiten Philippe II Auguste in Sklaverei gelebt hätten. Weder die Lehnsherren  – Tyrannen bis Ludwig XI - noch die Könige hätten  die Zeit gehabt, sich um das Wohl ihrer Untertanen zu kümmern. Sie hätten auch nicht die Macht dafür besessen. (S.125)  « En France, les peuples furent esclaves jusque vers le temps de Philippe Auguste; les seigneurs furent tyrans jusqu’à Louis XI ; et les rois, toujours occupés à soutenir leur autorité contre leurs vassaux, n’eurent jamais ni le temps de songer au bonheur de leurs sujets, ni le pouvoir de les  rendre heureux. » Auf Seite 126 bedauert Voltaire, dass die Franzosen nicht an den großen Entdeckungen und Erfindungen der anderen Nationen partizipiert hätten. Er räumt ein, dass Frankreich bis zur Regierung Ludwig XIV in Unwissenheit (S.156) und in Aberglaube (S.157) versenkt war.

Auf Seite 154 beklagt er den unterentwickelten französischen Handel. Er befinde sich in den Händen einiger weniger, die kein Talent dafür hätten. Auf Seite 155 beschreibt Voltaire Frankreich als ein durch ständige Bürgerkriege zerrissenes Land. Die Situation ist so extrem  – behauptet Voltaire - dass innerhalb von zwanzig Jahren mehr Franzosen durch französische als durch feindliche Hände gestorben seien. (S.155). “Ce n’est pas trop dire que dans le cours de vingt années, dont dix avaient été troublées par la guerre, il était mort plus de Français de la main de Français mêmes, que de celle des ennemis.”

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sagt Voltaire, dass Frankreich für den Angriff und Deutschland für die Verteidigung geeigneter sei (S.135) «(…) La différence du gouvernement et du génie rend les Français plus propres pour l’attaque, et les Allemands pour la défense. »

Frankreich und England unterscheide, dass in England die Kriege immer aus einer gerechten Wut entstünden (Seite 181 “fureur raissonnée”). Das Schwert entscheide die Ereignisse. Die besiegten Könige werden nach den selben juristischen Verfahren verurteilt wie sie für einen jeden Verbrecher angewendet werden. Die Französen dagegen stürzten sie sich von Launen getrieben in Aufruhr.

Die Liebe stürzt die Vernunft ins Verderben. Nicht selten findet man Frauen an der Spitze der Fraktionen. Sie treiben die Generäle an, Revolte anzufangen und ganze Armeen ihrem Schicksal zu überlassen. Die naiven Generäle wollen Frauen gefällig sein, die sich über sie lustig machen. Die Herzogin von Longueville bietet hierfür ein gutes Bespiel. Auf Seite 181 schreibt Voltaire : « La duchesse de Longueville engagea Turenne à peine maréchal de France, à faire révolter l’armée qu’il commandait pour le roi (1649) Turenne n’y réussit pas ; il quitta en fugitif l’armée dont il était général, pour plaire à une femme qui se moquait de sa passion »  Auf Seite182 erzählt er, dass der Herzog von La Rochefocault im Kampf von Saint- Antoine eine tödliche Verletzung erlitten habe. Vor seinem Tod schreibt er der Herzögin von Longeville, dass er um ihre Liebe zu verdienen den Königen den Krieg erklärt habe und er ihn sogar den Göttern erklärt hätte  « Pour mériter son cœur, pour plaire à ses beaux yeux. J’ai fait la guerre aux rois ; je l’aurais faite aux dieux. »

Voltaire stellt fest, dass solche Revolten wegen des schwachen und labilen Charakters der Parteien, die sie organisieren, zum Scheitern verurteilt sind. Die Uneinigkeit der verschiedenen Agitatoren ermöglicht so das Überleben der königlichen Regierung (S.184) (…) mais les révoltés furent toujours désunis, et c’est qui sauva la cour.

B.   Europa ist verarmt wegen nutzloser Kriege, deren häufigsten Ursachen die Unfähigkeit und Willkür der Regierungen sind

 

Auf Seite 152 bemerkt Voltaire, dass die Politik und die Waffen leider die beiden Berufe zu sein scheinen, die der menschlichen Natur am ehesten entsprechen. Die öffentliche Meinung glaubt, dass der Erfolg Produkt der Meriten sei. In Wirklichkeit aber ist er Konsequenz des Zufalls, Seite 226. « (…) mais notre conduite et nos entreprises dépendent uniquement de la trempe de notre âme, et nos succès dépendent de la fortune. »

Gute Minister sind so knapp wie nötig. Ein mächtiger Minister ist nicht dasselbe wie ein guter Minister. Außerdem - warnt Voltaire - ist es wichtig zu erinnern, dass man nur einen durchschnittlichen Geist, guten Sinn und Glück braucht, um ein mächtiger Mnister zu sein. Dagegen steht für den guten Ministe die Leidenschaft für das Allgemeine Wohl im Vordergrund.

Der große Mann ist derjenige, die seinem Vaterland nützliche Werke hinterlässt. Voltaire benutzt das Wort „Monument“, um das zu beschreiben. Er bezieht sich damit nicht auf Bauwerke, sondern auf die Werke, die eine Gesellschaft aufbauen und sie erhalten, Seite 227 « En fin, il est très vrai que, pour faire un puissant ministre il ne faut souvent qu’un esprit médiocre, du bon sens et de la fortune ; mais pour être un bon ministre, il faut avoir pour passion dominante l’amour du bien public. Le grand homme d’État est celui dont il reste de grands monuments utiles à la patrie. »

Es sind die dem Vaterland geleisteten Dienste und nicht die Titel, die für die Nachwelt wichtig sind, Seite 330 « Les titres ne servent de rien pour la postérité ; le nom d’un homme qui a fait de grandes choses impose plus de respect que toutes les épithètes. »

Voltaire betrachtet Kriege als den Ursprung des schlimmsten Unglücks und Elends für die Völker. Häufig beruhen sie auf  undurchsichtigen wie nutzlosen Interessen.

So sieht sich zum Beispiel Anna von Österreich gezwungen, den von Richelieu gegen ihren Bruder Philipp IV begonnenen Krieg weiter zu führen. Sie liebte ihren Bruder,  es gab auch keine Gründe, die den Krieg rechfertigen konnten – noch nicht einmal Navarra wiederzugewinnen, Seite 160 « Anne d’Autriche fut obligée d’abord de continuer la guerre contre le roi d’Espagne, Philippe IV, son frère, qu’elle aimait. Il est difficile de dire précisément pourquoi l’on faisait cette guerre ; on ne demandait rien à l’Espagne, pas même la Navarre, qui aurait dû être le patrimoine des rois de France. On se battait depuis 1635, parce que le cardinal de Richelieu l’avait voulu, et il est à croire qu’il l’avait voulu pour se rendre nécessaire. »

Dagegen überlassen die europäische Könige die Venezianer angesichts der türkischen Offensive ihrem Schicksal. Dass es den Venezianern gelingt, sich zu retten, hat man den schon gennanten Fehlern der Türken zuzuschreiben, Seite 261 « On ne sait s’il plus étonnant que les Vénitiens se fussent défendus si longtemps ou que les rois de l’Europe les eussent abandonnés. »

Statt das Wohl ihres Landes zu begüngstigen, schaden ihm die Kriege. Außer der Wille der Minister zum Ruhm oder der Wille der Könige zur Macht –  beides Betrebungen, die mit dem Wunsch ihrer Bürger indes nichts zu tun haben – gibt es kaum andere wirkliche Ursache der Kriege.

Dem Volk bleiben die Siege fremd. Trotzdem muss das Volk mit Leben und Geld die Kosten der Kriege tragen. Jedem ist bewusst, dass die Generäle sich nicht um Opfer, sondern allein um den Sieg im Krieg kümmern,  Seite 451 « Peu importe à un général le nombre des morts quand il vient à bout de son entreprise. »

Deshalb - so Voltaire - verspürt die europäische Bevölkerung kein Interesse an den kriegerischen Unternehmungen und die christlichen Monarchien müssen Söldner rekrutieren, Seite 216 « Les nations, dans les monarchies chrétiennes, n’ont presque jamais d’intérêt aux guerres de leurs souverains. Des armées mercenaires, levées par ordre d’un ministre, et conduites par un général qui obéit en aveugle à ce ministre, font plusieurs campagnes ruineuses, sans que les rois, au nom desquels elles combattent, aient l’espérance, ou même le dessein, de ravir tout le patrimoine l’un de l’autre. Le peuple vainqueur ne profite jamais des dépouilles du peuple vaincu; il paye tout; il souffre dans la prospérité des armes, comme dans l’adversité ; et la paix lui est presque aussi nécessaire, après la plus grande victoire que quand les ennemis ont pris ses places frontières ».

Ich möchte an dieser Stelle einen persönlichen Kommentar einfügen: Aus den Lektüre des Büches entsteht das Bild eines Europas, dass durch Krankheiten, Kriege und Hunger verwüstet worden ist und die Steuergelder verprasst. Zu der natürlichen Gleichgültigkeit der Bürger gegenüber den kriegerische Unternehmungen ihrer Fürsten, muss man –meiner Meinung nach - die Knappheit der Armee an Soldaten aufgrund  der Bevölkerungsverluste hinzufügen. Ich vermute, dass eher letzteres und nicht die Lustlosigkeit der Bürger der Grund dafür war, Söldner zu rekrutieren. Da die Generäle und Könige das Leben ihrer Untertanen kaum kümmerte, so zweifle ich, auch sie  ihre Lust - oder besser gesagt ihre fehlende Lust -  in den Krieg zu ziehen, überhaupt in Betracht gezogen haben. Voltaire erzählt, dass der auf einer Missernte beruhende Hunger für Ludwig XIV durchaus eine erfreuliche Folge hatte: Die Zahl der Einschreibungen für die Armee stieg, Seite 499 « La famine qui désolait les campagnes fut une ressource pour la guerre. Ceux qui manquaient de pain se firent soldats. Beaucoup de terres restèrent en friche ; mais on eut une armée. »

Zahlreiche Bürgerkriege und Revolten haben Frankreich verarmt. Der Gebrauch des Schießpulvers machte die Schlachten noch blutiger, Seite 448 « La forcé du corps, l’adresse, le courage d’un combattant ne lui servent plus de rien. Les batailles sont devenues de grandes machines dont la mieux montée dérange nécessairement celle qui luis est opposée (…) Ainsi, l’art de se détruire est non seulement tout autre de ce qu’il était avant l’invention de la poudre, mais de ce qu’il était il y a cent ans. »

C.   Der Friede in Europa beruht auf einem Gleichgewicht der militärische Kräfte der europäische Nationen

Nicht Weisheit, nicht Beredsamkeit, sondern militärische Siege führen zum Abschluss von Friedensverträgen, Seite 505 « L’esprit, la sagesse, l’éloquence ne sont rien dans des ministres lorsque le prince n’est pas heureux. Ce sont les victoires qui font les traités. »

Zahllose Kriege haben Europa zerstört und ermüdet. Nach dem Friedensvertrag von Utrecht vom 11. April 1713 kann immerhin Frankreich sich dank des Wirkens des Kardinal Fleury erholen. Sein Erfolg beruht nicht auf Neuerungen. Sein Handeln ist darauf gerichtet, den Frieden zu fördern. Dies erlaubt, dass Frankreich seine Verluste durch Handel überwinden kann.  Er behandelt den Staat wie einen starken und kräftigen Körper mit Selbstheilungskräften.

Zum Glück für Europa hatte auch der englische Premierminister – Robert Walpole -  einen friedfertigen Charakter. Er und Fleurz haben dazu beigetragen,  den Frieden in Europa bis 1733 zu bewahren. Unterdessen haben zwei neue Mächte die Bühne betreten: Russland und Preussen.

England behält seine Überlegenheit zur See und Holland verliert zunehmend seine maritime Führungsrolle. Auch Schwedens Einfluss schwindet. Dänemark blüht. Spanien und Portugal überleben nur noch wegen der Reichtümer, die aus Amerika herein strömen. Italien - zersplittert in zahlreiche Staaten - wird wird durch Österreich beherrscht.  Der österreischische Hof ersteht aus seiner Asche auf.

Europa bleibt in zwei große Blöcke geteilt. Auf der eine Seite Österreichische-ungarische Kaiserreich, zusammen mit Teilen Deutschlands, Russland, England, Holland und Sardinien. Auf der anderen Seite die Niederlande, Spanien, das Königreich beider Sizilien, Frankreich, Preussen und Schweden.

Die Kriege zwischen den verschiedenen Nationen haben Europa verwüstet. Nur der kalte Krieg – wie wir hier sehen nicht nur ein Phänomen des 20. Jahrhunderts - konnte die kriegerischen Konflikte begrenzen. Voltaire schreibt, dass alle europäische Mächte  aufgerüstet waren. Ein Gleichgewicht des Schreckens zwischen den europäischen Mächten in der Erwartung eines dauerhaften Friedens, Seite 550 « Toutes les puissances restèrent armées; et on espéra un repos durable par la crainte même que les deux moitiés de l’Europe semblaient inspirer l’une à l’outre.» Seite 561 « (…) de sorte qu’après la paix d’Aix-la- Chapelle les puissances chrétiennes de l’Europe ont eu environ un million d’hommes sous les armes (…) il n’y aurait aucun agresseur, parce que tous les États étaient armés pour se défendre. » Wie man sieht sind die positiven Effekte des kalten Krieges keine neue Entdeckung unserer Zeiten.

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Der zweite Band umfasst die Kapitel vierundzwanzig bis sechsundreißig. Sie drehen sich um die innere Situation Frankreichs im Allgemeinen und die des Hofes im Besonderen.

Die Anstrengungen, die Ludwig XIV zu Beginn seiner Herrschaft unternimmt, um seine Macht zu sichern, werden am Hof mit Bewunderung und Erstaunen aufgenommen. In der Tat war dies kaum zu erwarten:  Kardinal Mazarin war nämlich mit große Sorgfalt bestrebt, den jungen König  von den Regierungsgeschäften Staates sowie von der Verfügung über das königliche Budget fern zu halten. Als Ludwig XIV die Regierung antrat, stellte er fest, dass Mazarin seiner eigenen Familie ein beträchtliches Vermögen zugeschanzt hatte. Gleichzeitig musste er die Erfahrung machen, dass der Superintendet Fouquet - der Finanzminister - die die Staatskaase geleert hatte, während dessen persönliches Vermögen eines der größten Frankreichs war.

Hier sind die wichtigsten Ideen, die der zweite Band behandelt.

1.     Kritik an der Religion – besonders an der katholischen Religion. Zunächst richtet sich diese Kritik gegen die Einmischung der Kirche in die politischen Angelegenheiten; darüber hinaus auch gegen die Nutzlosigkeit theologischer Streitigkeiten, die überflüssige Spaltungen verursachen. Diese wierderum beruhen eigentlich auf Machtstreben.

Voltaire widmet wenigstens fünf Kapitel den eklesiastischen Fragen und den lächerlichen Disputen, die kirchliche Repräsentanten ständig führen. Viele kritisieren die politische Rolle religiösischen Institutionen und die nicht mit ihrer geistliche Funktion zu tun hat. Diese Kritik zieht sich durch seine ganzes Werk und entspricht dem aufklärerischen Gebot der Trennung von Staat und Kirche.

Er hält religiöse Kriege für stupide; durch müßige Menschen verursacht, die die Völker ins Verderben stürzen. Religionskriege, ob mit der Feder oder mit dem Schwert, sind immer nutzlos. Die Meinungsfreiheit und die Gedankenfreiheit sind Grundrechte, die die Staatsmacht – ganz gleich welche- zu respektieren habe. Nicht selten benutzen die Mächtigen die Religion, um ihre Tyrannei rechtzufertigen. Dazu erzählt Voltaire eine Anekdote: Der König reklamierte sich von Gottes Ganden und gerade deswegen betrachtete die Kirche ihn als von ihr abhängig.

Voltaires Kritik richtet sich gegen alle religiösen Strömungen: Calvinisten, Jansenisten, Quietisten sowie Jesuiten und Dominikaner. Als diese beiden religiösen Orden nach China gekommen sind,  fiel ihnen nichts besseres ein, als sich am chinesischen Hofe vor dem Kaiser zu streiten. Das Erstaunliche – erzählt Voltaire – war, dass diese beide Ausländer in China waren. Der chinesische Kaiser war über den öffentlichen Streit der Ausländer so erstaunt, dass er sie, anstatt sie hinzurichten, –  was an sich zu erwarten gewesen wäre -  verbannt hat.

2.     Förderung der Ökonomie. Die Zahlreichen Kriege Frankreichs haben zum Staatsbankrott geführt. Die Ankurbelung der französischen Wirtschaft steht auf der politischen Agenda. Colbert wird die notwendigen Reformen einleiten.

Der französische Minister wird sich auf unterschiedliche Felder konzentrieren: die Steigerung der Geburtenrate und die Förderung des verarbeitenden Gewerbe. Als Maßnahmen werden Steuererleichterungen und staatliche Zuschüsse ergriffen.

Familienpolitik. Sie zielt auf die Anhebungung der Geburtenrate ab. Ehepaare mit Kindern zahlen weniger Steuern (Seite 678).

Die Förderung des Binnen- und Außenhandels. 1662 befreit der König französische Unternehmen von Steuern, die ausländische Geschäftsleute zu entrichten haben (Seite 675) « Le roi commença, dès 1662, à exempter ses sujets d’une imposition nommée le droit de fret, que payaient tous les vaisseaux étrangers ; et il donna aux Français toutes les facilités de transporter eux-mêmes leurs marchandises à moins de frais. »

Der Seehandel wird gefördert (Seite 675). Die Häfen von Dünkirchen und Marseille werden zu Freihäfen erklärt (Seite 675). Die französische Ostindienkompagnie wird gegründet. Der König unterstützt diese Unternehmen und ermuntert den Adel, sich daran zu beteiligen (Seite 676). Pondicherry, die wichtigste französische Besitzung in Indien, rivalisiert mit Batavia – der Hauptstadt Niederländisch-Indiens (Seiten 676-677).

Einführung der Industrie in Frankreich. Ab 1663 beginnt Frankreich, die Textilindustrie einzuführen. Diese war bis dahin in einglischen und holländischen Händen gewesen war. Die Glasindustrie entwickelte sich ab 1666. Sie wird in vergleichbarer Qualität produzieren wie die viel bewunderte venezianische Glasindustrie. Dasselbe gilt für Wandteppichen sagen. Die der Savonnerie übertreffen die Qualität der türkischen und persischen sowie die Gobelins die aus Flandern (Seite 679). Voltaire thematsiert die Bedeutung der religiösen Toleranz für den Handel. Er ist davon überzeugt, dass Frankreich noch mächtiger geworden wäre, wären die Hugenotten nicht vertrieben worden. Die Calvinisten beherrschten die Kunst der Eisens und des Stahles. Nach ihrer Emigration blieb Frankreich ohne diese Industrie (Seite 680).

3.      Die Bedeutung der Infrastruktur

Die französische Infrastruktur wird verbessert. Die Straßennetz wird erweitert und besser überwacht (Seite 675) « Les grands chemins, jusqu’ alors impraticables, ne furent plus négligés, et peu à peu ils devinrent ce qu’ils sont aujourd’hui sous Louis XV, l’admiration des étrangers. » Die Stadt Paris erfährt eine rasche Entwicklung. Die Straßen der Hauptstadt werden gepflastert und beleuchtet,  damit die Bürger sicherer sind (Seiten 680-681). Es wird verboten, durch die Stadt zu reiten, um Streitigkeiten zu vermeiden (Seite 700); ferner das Verbot von Duellen (Seite 687). Voltaire kristisiert die Verschwendung, die Versailles bedeutet. Er bedauert, dass so viel Geld für seine Errichtung investiert worden ist. Dafür wurden Mittel verschwendet, die für andere Zwecke nötiger gewesen wären (Seite 696).

4.      Reform der Gesetze

Voltaire fordert die Trennung zwischen Kirche und Stadt. Außerdem verlangt er die Notwendigkeit der Neutralität und Unabhängigkeit der Justiz gegenüber der königlichen Willkür. Ich habe den Eindruck, dass er vor allem an die Meinungsfreiheitsrecht denkt. (Seite 611) « Le citoyen qui n’offense point les lois de l’État doit-il être puni si sévèrement par celui qui représente l’État? N’y a-t-il pas une très grande différence entre déplaire à son souverain et trahir son souverain? Un roi doit-il traiter un homme plus durement que la loi no le traiterait ? »

Diese Idee erinnert an Montesquieus These. Letzterer unterscheidet zwischen Ehre und Ruhm. Nach Montesquieu gehört die Ehre in die private Sphäre, der Ruhm dagegen zum öffentlichen Bereich. Der Ruhm ermutigt den Menschen zu großen Unternehmungen. Voltaire teilt diese Idee. Voltaire behauptet, dass der König, der den Ruhm liebt, auch das öffentliche Wohl liebe (Seite 695) “Tout roi qui aime la gloire aime le bien public.”

5.      Konsequenzen der legislativen und sozialen Reformen

Voltaire merkt an, dass solche Reformen zu eine Verfeinerung  der Sitten führen, ohne dass die Tapferkeit nachlasse. Das übermäßige Luxus sei weniger, die Kaufkraft der dagegen Mittelklasse immer höher geworden. Der Luxus – sagt Voltaire - bleibe Nationen reserviert, denen die Lebenskunst unbekannt ist (Seite 701) « On est parvenu enfin à ne plus mettre le luxe que dans le goût et dans la commodité. La foule de pages et de domestiques de livrée a disparu, pour mettre plus d’aisance dans l’intérieur des maisons. On a laissé la vaine pompe et le faste extérieur aux nations chez lesquelles on ne sait encore que se montrer en public, et où l’on ignore l’art de vivre. » Hauspersonal werde gekündigt. Die Häuser würden komfortabler. Die Entwicklung der Technik ermögliche ein bequemeres Leben und verleihe das Gefühl des Reichtum (Seite 713) « (…) on croirait que l’opulence est vingt fois plus grande qu’autrefois. Tout cela est le fruit d’un travail ingénieux, encore plus que de la richesse. » Die sozialen Ungleichheiten nähmen zu (Seite 702) « (…) et plus le service en tout genre prévaut sur les titres, plus un État est florissant. »

Voltaire behauptet, dass die Reformen die Entwicklung der Industrie, der Landwirtschaft und des Handel befördert hätten. Gleichzeitig ist er überzeugt, dass weder  Gold noch Silber ein bequemeres Leben garantieren. Es ist vielmehr der Geist eines Volkes. Ein Volk, dessen einziger Reichtum aus Edelmetalen bestehen würde, wäre ein elendes Volk. Dagegen sei das Volk, das all seine Kraft auf landwirtschaftliche Aktivitäten konzentriere, zweiflelos ein wahrhaftes reiches Volk. (S.714) « Ce n’est point en effet l’argent et l’or qui procurent une vie commode: c’est le génie. Un peuple qui n’aurait que ces métaux serait très misérable ; un peuple qui, sans ces métaux, mettrait heureusement en œuvre toutes les productions de la terre, serait véritablement le peuple riche. »

Der progressive Steuersatz tritt an die Stelle eines willkürlich festgelegten Steuersatzes. Dies hat dazu beigetragen, dass die Bauern ihren Wohlstand festigen konnten (Seite 715) « La taille proportionnelle, substituée à l’arbitraire, a contribué encore depuis environ trente années à rendre plus solides les fortunes des cultivateurs (…) »

Das heißt nicht, dass die Figur der Tagelöhner verschwunden ist. Es ist unmöglich die Armut zu besiegen, aber wenigstens ist es möglich das größte Elend zu beseitigen (Seite 715) « Le manœuvre, l’ouvrier, doit être réduit au nécessaire pour travailler: telle est la nature de l’homme. Il faut que ce grand nombre d’hommes soit pauvre, mais il ne faut pas qu’il soit misérable. »

6.      Die Reform der Kriegskunst

Die Kriege haben die Staaten ruiniert. Auch wenn Voltaire kriegerische Konflikte verabscheut, sieht er in der Rüstung eine Notwendigkeit für die Landesverteidigung. (Seite 687) « Législateur de ses peuples, il le fut de ses armées. » Die Armee wird reformiert; sie erhält neue Uniformen. Spezialsierte Einheiten werden gegründet wie zum Beispiel Bajonettekämpfer (Seite 689) und die Husaren, die Frankreich vor Ludwig XIV nur aus den feindlichen Armeen kannten. Pioniertruppen werden gebildet und die Kunst des Festungsbaus wird perfektioniert. Die Institution des Generalinspekteur wird geschaffen, um die Organsiation der Armee zu überwachen. Das Ordenswesen zur Ehrung verdienter Soldaten wird eingeführt (Seite 690). Die Marine wird ebenfalls neu organisiert (Seite 691) und Kriegshäfen werden ausgebaut (Seite 692).

Voltaires Schlußfolgerung ist eine doppelte: Einerseits anerkennt er die Verdienste von Ludwig XIV. Der König hat die französische Armee neu strukturiert und ihr eine Organisation gegeben, die vorher nicht existierte. (Seite 688) « Il fut le premier qui, en temps de paix, donna une image et une leçon complète de la guerre. »  Gleichzeitig ist es Voltaire bewusst, dass der eigentliche Zweck dieser Reorgansiation die Kriegsführung ist. Wie immer wird der Staat dafür finanziell bluten müssen (Seite 696) « La guerre, qui finit par la paix de Ryswick, commença la ruine de ce grande commerce que son ministre Colbert avait établi ; et la guerre de la Succession (d’Espagne) l’acheva. »

7.      Konsequenzen der Kriege

Voltaire lobt die Reformen der militärischen Strukturen. Gleichwohl sieht er in militärischen Konflikte die wichtigste Ursache für Elend und Ruin eines Landes. Der Krieg beraubt die Bürger der Güter, die für den Aufbau eines Staates notwendig sind. Das Schlimmste sei –behauptet Voltaire seit den ersten Seiten seines Buches -, dass häufig die wahren Gründe eines Konfliktes in der Laune des König, in der Willkür eines Ministers, in der Liebe eines Generals für eine Frau, oder in der religiösen Intoleranz zu finden sind.

Die Schulden, die durch bewaffnete Konflikte enstehen, können weder mit der Kriegsbeute noch mit der Produktion eines Landes ausgleichen werden. Der Sieg bringt so viele Verluste wie die Niederlage.

Das erklärt die schlimme ökonomische Situation Frankreichs beim Tode Ludwigs XIV - Konsequenzen zahlloser Kriege. Nicht einmal Colberts Genie konnte Frankreichs ökonomischen Ruin verhindern. Als Colbert sein Amt antrat, versuchte die Steuern zu senken. Die Realität forderte allerdings bald ein Gegensteuern. In einem Land, in dem die Ausgaben die Einnahmen übertstiegen, blieb ihm dann nichts anderes mehr übrig, als die Steuern zu erhöhen. Die Abwertung der Währung und die Inflation sind Themen, die Voltaire im Kapitel achtundzwanzig eingehend behandelt.

8.      Der Entwicklung der Kunst

Voltaire ist überzeugt, dass Ludwig XIV nur deshalb „le roi Soleil“ gennant werden konnte, weil er Wissenschaft und Künste förderte. Sonst wäre seine Regierungszeit wie jede andere gewesen. Die Wissenschaft machte ständige Forschritte. Voltaire ist mehr an der Technik als an der Mathematik interessiert. Die Technik ermögliche nämliche im  Gegensatz zur Mathematik ein komfortableres Leben. Seine Kritik konzentriert sich vor allem auf Descartes, weil dieser die Erfahrung verachtet und gleichsam ein Gebäude ohne Materialien bauen will. Das kann nur zur Errichtung eines imaginären Gebäude führen. Descartes – kritisiert Voltaire-  errät die Natur anstatt sie zu studieren (Seite717)  « il [Descartes] fit le contraire de ce qu’on devait faire: au lieu d’étudier la nature, il voulut la deviner. Il était le plus grand géomètre de son siècle ; mais la géométrie laisse l’esprit porté à l’invention.  (…) Un homme qui dédaigna les expériences, qui ne cita jamais Galilée, qui voulait bâtir sans matériaux, ne pouvait élever qu’un édifice imaginaire. »

Der aufgeklärte Denker Voltaire verbirgt nicht seine Bewunderung für die englischen Arbeitsmethoden. Er stellt die „Londoner Freie Gesellschaft“ als ein Vorbild vor. Man arbeitet unter der Prämisse des Arbeitsethos. Dort werden Entdeckungen über das Licht und die Schwerkraft  geboren. Auf Seite 718 meint Voltaire, dass „das Jahrhundert Ludwig XIV“ auch „das Jahrhundert der Engländer“ heißen könne.

Es wird nicht sehr lange dauern bis die Franzosen die Modelle der englischen Akademien nachahmen werden. Die Musik und die Malerei werden gefördet. Tausende neuer Bände werden die königliche Bibliothek erweitern. Fortschritte im Erziehungswesen und der aufgeklärte Geist werden viele Formen des Aberglaubens zerstören. Die Franzosen werden zu wahren Protagonisten der Beredsamkeit, Dichtung, Literatur, Moral und Manieren. Dies verbindet sich mit der Vollendung der Grammatik und Strukturen der französische Sprache. Dem Wunsch zu lehren entspricht der Wunsch zu lernen. Die Fülle der Kultur und Bildung mache aus den besten Köpfe anspruchsvolle und brillante Kultur- und Gesellschaftskritiker. Auf Seite 748 stellt sich Voltaire die bange Frage wie mit der Kritik mäßig gebildeter Menschen und dem Umstand, dass mehr triviale als geniale Werke erscheinen, umzugehen sei. Für ihn kein Grund zu kulturpessimisteischer Sorge: Das Wichtigste ist, dass in einer Nation überhaupt geniale Werke existieren.

Wenn und solange in einer Gesellschaft große Kunst existiert, stört Voltaire sich  – ganz anders als Ortega y Gasset -  keineswegs an der Massegesellschaft. Den Masse soll man nicht zerstören, sondern ignorieren. Die Kritiker, die ihre Meinungen ohne Kenntnisse äußern, muss man einfach ignorieren anstatt ihnen Aufmerksamkeit zu schenken.

Die Gruppe der Besten ist immer klein. Aber wenn viele gut sind, wird sich die Gruppe der Besten vergrößern können.  Für den aufgeklärten Voltaire war es undenkbar, dass eine Steigerung in der Erziehung eine Steigerung der Zahl der gebildeter Ungebildeter hervor bringen könnte; eine Erhöhung der Zahl der Menschen, die auch wenn sie lesen können kein Interesse am Wissen, sondern allein am Vergnügen haben.

Was Voltaire doch weiß ist, dass die Erfolg und Anerkennung der Besten häufig von Umständen abhängen, die nichts mit Verdienst und Leistung zu tun haben. Daran liegt die Bedeutung von Voltaires Rat,  Freundschaften zu schließen und zu pflegen. Er selbst hat das erfahren. In einer kleinen Autobiographie berichtet Voltaire, dass er seine Stelle in der Akademie der Geschichte nur dank der Unterstützung  durch die Geliebte des Königs bekommen hat.

Lange war ihm diese Stelle wegen des Widerstand der vorherigen Geliebten des Königs verwehrt gewesen. Voltaire ist der Einfluss der Frauen in der Politik und in der Religion wohl bewußt. In der Tat konnten sich viele religiöse Tendenzen nur mit weiblicher Hilfe verbreiten. Im Fall des „Quietismus“ war es sogar eine Frau, die diese Bewegung angestoßen hat.

9.      Die Staatsverschuldung

Voltaire ist der Ansicht, dass Colbert – Finanzminister unter Ludwig XIV  – der wahre Förderer für Industrie und Handel in Frankreich gewesen sei. Das Volk sei ungerecht, wenn es ihn für die ökonomischen Rezession in Frankreich ab 1702 verantwortlich macht. (Pg.703) Les Français lui doivent certainement leur industrie et leur commerce”. Voltaire gibt zu, dass Colbert noch mehr hätte leisten können, aber die Hindernisse nahmen zu (Seite 705)  « Les hommes n’étaient pas alors assez éclairés; et dans un grand royaume, il y a toujours de grands abus. »

Das Hauptproblem lag in der Notwendigkeit, die Steuern zu erhöhen, um die Ausgaben zu decken, die Kriege, königliche Bauten und Vergnügungen mit sich brachten (Seite 705) « Colbert, pour fournir à la fois aux dépenses des guerres, des bâtiments et des plaisirs, fut obligé de rétablir, vers l’an 1672, ce qu’il avait voulu d’abord abolir pour jamais : impôts en parti, rentes, charges nouvelles, augmentations de gages ;enfin, ce qui soutient l’État quelque temps, et l’obère pour plusieurs années. »

Ein weiteres Problem kam hinzu: Colbert war überzeugt, dass der Reichtum eines Landes in der Zahl seiner Bewohner liege, die in der Landwirtschaft, der Industrie und im Handel arbeiten. Allerdings nuzte dieser Reichtum frankreich nicht, da der König unter ständigem Geldmangel litt.

Diese Situation hatte zwei schlimme Konsequenzen: Einerseits war der König ständig gezwungen, seinen Untertanen neue Steuern zu anzuordnen. Anderseits war der König willfährig in den Händen seiner Financiers, die ihm Geld gegen im Gegenzug für den Transfer von Steuererhebungsrechten geliehen haben. Katharina von Medici hatte diese in Italien erfundene Finanzierungsmethode in Frankreich eingeführt. Der schädliche Nebeneffekt in Italien war die Korruption des Staates gewesen, weil es den Regierenden möglich gemacht wurde, sehr einfach Geld an Geld zu kommen. Ludwig XIV hatte diese Finanzierungsmerhode in Frakreich verboten. Er hat sogar mit Todstrafe demjenigen angedroht, der von dieser Finanzierungsmethode Gebrauch machen würde. Das Gesetz ist nie in Kraft getreten. Ludwig XIV wendete sich dann selbst den Spekulanten und seinen Geschäften zu (Seiten 705-706) « Il [Colbert] fut emporté hors de ses mesures; car, par toutes les instructions qui restent de lui, on voit qu’il était persuadé que la richesse d’un pays ne consiste que dans le nombre des habitants, la culture des terres, le travail industrieux et le commerce ; on voit que le roi, possédant très peu de domaines particuliers, et n’étant que l’administrateur des biens de ses sujets, ne peut être véritablement riche que par des impôts aisés à percevoir, et également répartis. (…) Il fit rendre un arrêt du Conseil qui établissait la peine de mort contre ceux qui avanceraient de l’argent sur de nouveaux impôts. Il voulait, par cet arrêt comminatoire, qui ne fut jamais imprimé, effrayer la cupidité des gens d’affaires. Mais bientôt après il fut obligé de se servir d’eux, sans même révoquer l’arrêt : le roi pressait, et il fallait des moyens prompts. »

« Cette invention, apportée d’Italie en France par Catherine de Médicis, avait tellement corrompu le gouvernement par la facilité funeste qu’elle donne. (…) »

Sechs Jahre nach Colberts Tod im Jahre 1689 hat Europa sich in neue Krieg gestürzt. Die Staatskassen waren geleert. Staatsvermögen musste verkauft werden, damit die Ausgaben bezahlt werden konnten. Voltaire distanziert sich von seinen vorherigen Behauptung und sagt jetzt deutlich, dass eigentlich nicht die Bautätigkeit und Vergügungen Frankreich verarmt hätten, sondern die Kriege. Es sei immer der Krieg, der Staaten ruiniert. Nicht einmal die Sieger würden durch ihre Siege reich. Die einzigen, die sich durch Kriege reicher werden, seien die Bankiers, die mit ihren Krediten das Recht erkauften, den Staat zu Boden zu werfen.

In einer solchen Situation betrachten die Privatpersonen die Regierung als ihre Feinde und verstecken ihr Geld. Der Mangel an umlaufenden Geld wiederum verarmt den Staat weiter.Und alles fängt von Neuem an. Man ist mitten in einem tödlichen ökonomischen Kreis.

Das war die Situation Frankreichs. Zu den Schuldenproblemen kam auch der harte Winter des Jahres 1709 hinzu. Der Staat musste Steuern zurückerstatten und gleichzeitig hatte man kein Geld, um den Soldaten ihren Lohn zu bezahlen (Seite 705-711).

Die Schulden wurden übermäßig. Voltaire bedauert die Situation. Seiner Meinung nach hätten ein blühender Handel, solide Schuldscheine und gesunde Unternehmen die Katastrophe verhindern können. Aber er stellt resigniert fest, dass es viele Mittel nötig gewesen wären, um eine so komplizierte Machine in Bewegung zu bringen, die von ihrem eigenem Gewicht erdrückt wurde.

Um diese Situation bewältigen zu können, hat man das englische Finanzsystem übernommen. So haben die Franzosen Tilgungsfonds aufgelegt. Voltaire empiehlt auch die Einführung von Papiergeld (Seiten 712-713) « On a  pris le parti de faire de fond d’amortissement, comme chez les Anglais: il a fallu adopter une partie de leur système de finance, ainsi que leur philosophie ; et si, dans un État purement monarchique, on pouvait introduire ces papiers circulants qui doublent au moins la richesse de l’Angleterre, la puissance de la France acquerrait son dernier degré de perfection. » So sehr Voltaire die Schulden fürchtete, so  wenig bereitete ihm die Inflation Sorgen. In Bezug auf Staatseinhamne traute er weder den Bankiers noch der Kriegsbeute. Es muss erinnert werden, dass Voltaire überzeugt war, dass nicht die Ausgaben eines Staates diesen verarmen, sondern die Kreigskosten, die kein Sieg ausgleichen kann.

Die Schlussfolgerung? Voltaire will keine geben. Er bezieht sich lieber auf den Erzbischof von Cambray, der in seinen Versen verrät, dass er inzwischen alt geworden trotzdem  nichts anderes als Witze hinterlassen kann. Was einmal für uns unentbehrlich war, verliert mit der Zeit an Bedeutung (Seite 860) « Jeune, j’étais trop sage / Et voulais trop savoir ; / Je ne veux en partage/ Que badinage/ Et touche au dernier âge/Sans rien prévoir. (…)Il serait peu important par lui-même, s’il ne prouvait à quel point nous voyons souvent avec des regards différents, dans la triste tranquillité de la vieillesse, ce qui nous a paru si grand et si intéressant dans l’âge ou l’esprit plus actif, est le jouet de ses désirs et de ses illusions. »

Da wir noch nicht zu dieses abgeklärte Stadium gekommen sind, werden wir in der nächste Woche die Situation des derzeitigen Europas analysieren. Egal ob wir darüber uns irren oder nicht, wichtig ist nur, dass wir an die Möglichkeit eines Europa fest glauben und mit Hilfe dieser tiefen Überzeugung an seinem Aufbau teilnehmen. Um Europäer zu werden, ist es nicht nötig, viele Sprache zu beherrschen, oder viele Reise zu unternehmen. Es geht vor allem darum, bewusst zu sein, dass wir alle eine und die selbe Geschichte teilen. Wenn diese Geschichte die Geschichte der Kriege und der Grausamkeit ist, ist sie auch die Geschichte des Friedens, der Kunst, der Wissenschaft und der Freiheit.

Bis zum nächsten Woche!
Isabel Viñado Gascón

 

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