Das Buch beginnt mit
der Ankunft von Gabriel Dan im Hotel Savoy. Nach drei Jahren in einem siberischen
Kriegsgefangenenlager und einer Reise, der er mit Gelegenheitsarbeiten
finanziert hat, kommt er in die Stadt. Seine Absicht ist es, dort zu bleiben,
bis er das nötige Geld für
die Weiterreise nach Amerika zusammen hat.
Die Hotelgäste gehören
allen sozialen Klassen an. Dennoch eint sie ein gemeinsames Element: die
Entwurzelung. Die meisten von ihnen
möchten das Hotel verlassen. Allerdings hält sie die familiäre Atmosphäre, die
sie dort erleben, und die Unmöglichkeit, einen anderen Ortzu finden, wo sie
sich neiderlassen könnten, zurück.
So betrachtet ist das
Hotel zugleich Heimat und Gefängnis. Für
einige wird es sogar zum eigenen Sarg. Es wird nicht sehr lange dauern bis
Gabriel Dan einige der Gäste kennen lernt.
Stasia:
Sie arbeitet als Tänzerin in einem Varieté-Theater. Gabriel ist in sie verliebt,
traut sich aber wegen seiner Armut
nicht, seine Liebe zu bekennen. Stasia geht eine Beziehung mit Gabriels Cousin
Alexander ein: ein Windbeutel mit Geld.
Santschin:
Er ist der Clown des Varieté-Theaters. Die Leute sagen, dass er plötzlich krank
geworden sei. Der Autor Roth verrät dem Leser, dass Santschin eigentlich schon
seit zehn Jahren am Sterben sei. Santschin will nicht zum Artzt gehen, weil
sein Großvater und Vater auch ohne Arzt gestorben seien. Trotzdem holen seine
Freunde den Hotelarzt. Nach seiner Überraschung verschreibt er dem Kranken
Wein. Der Arzt erklärt, dass Santschin nicht mehr als zwei Flasche überleben werde.
Wenigsten solle er glücklich
sterben.
Hirsch
Fisch: Er lebt im letzten Zimmer am Ende des Ganges im
obersten Stockwerk des Hotels: Zimmer 864. Je ärmer der Gast, desto höher das
Stockwerk, in dem er einquartiert wird, und desto weniger Leistungen bekommt er.
Industrielle und Händler bezahlen das Zimmer von Hirsch. Es gibt Gerüchte, dass Hirsch
selbst eines Tages auch ein reicher Händler gewesen sei. Er hat alles wegen
seine Nachlässigkeit verloren. Hirsch betrachtet sich als „Träumer der Zahls
der Lotterie“. Er verkauft die Nummern, die er in seinen Träumen sieht.
Abel
Glanz: Er ist ein kleiner, schäbig gekleideter und
unrasierter Mann. Er hat als Souffleur in einem rumänischen Theater gearbeitet.
Er macht gute Geschäfte mit Devisen-Valuta.
Ignatz:
Er ist der alt gewordene Liftboy des Hotels. Wenn ein Gast kein Geld hat, um
seine Hotelrechnung zu bezahlen, nimmt er die Koffer des Gastes in Pfand und
verschließt sie mit einem selbst erfundenen Patentschloß.
Frau
Jetti Kupfer: Sie ist die „alma mater“ der Hotelbar.
Sie ist Chefin einer Truppe von Mädchen, die als Nackttänzerinnen die Gäste der
Hotelbar unterhalten.
Der
Arzt: Er kommt täglich um fünf Uhr in die
Hotellobby. Er ist ein ehemaliger Militärartzt.
Xavier
Zlogotor: Er ist Magnetiseur. Er erzählt, dass
er seine Kunst von Fakiren in India gelernt habe.
Zwonimir Pausin:
Ein Kroate, wie Gabriel Dan ein Rückkehrer
aus russischer Kriegsgefangenschaft. Er diente mit Gabriel Dan in einer
Kompanie. Im Unterschied zu den anderen Rückkehrern
ist er nicht zu Fuß, sondern mit dem Zug in der Stadt angekommen.
Zwonimir ist ein
geborener Revolutionär. Er behandelt jeden wie einen alten Bekannten und macht
sich über alle lustig, sodass
sich niemand traut, ihm etwas zu sagen.
Bloomfield:
Er ist ein Millionär, der aus Amerika zu Besuch in die Stadt kommt, aus der er
als junger Mann ausgewandert war. Viele Bewohner in der Stadt hoffen Geld von
ihm zu bekommen. Eigentlich will er nur den Grab seines Vaters besuchen.
Bloomfield gibt Gabriel das Geld, dass er um nach Amerika weiter zu verreisen,
benötigt.
Kaleguropulos:
Er ist der unsichbare Besitzer des Hotels, den niemand je gesehen hat.
Andere Figuren, die
nicht im Hotel leben, aber ebenfalls ein wichtige Rolle in der Handlung des
Buchs spielen, sind:
Phöbus
Böhlaug: Er ist Gabriels Onkel und Alexanders
Vater. Böhlaug lebt in der Stadt und ist
ein reicher Geschäftsmann. Er weigert sich indes, Gabrie finanziell zu unterstützen.
Neuner:
Er besitzt eine Borstenfabrik. Das einzige, was ihn interessiert, ist Geld zu
verdienen. Als die Krise einbricht handelt er lieber mit Valuta und spekuliert an der Börse als sich um die
Fabrik zu kümmern.
*****************************************
Die soziale Situation,
die das Buch beschreibt, ist katastrophal. Die Arbeitlosigkeit ist sehr hoch.
Die Arbeit in der Fabrik ist ungesund und schlecht bezahlt. Schweineborsten
sind von Staub und Schmutz zu reinigen, um daraus Bürsten herzustellen.
Viele Arbeiter erkranken wegen des Staubs an den Lungen und sterben mit fünzig.
In der Stadt wächst das
Unbehagen. Ein Arbeiter lässt sich im Friseursalon des Hotels die Haare
schneiden. Er hat aber kein Geld zu bezahlen. Die Polizei nimmt in fest und
bringt ihn in Gefängnis. Die Arbeiter demonstrieren vor dem Hotel und dem Gefängnis.
Plötzlich ist die Revolution da. Die Arbeiter der Bürstenfabrik streiken -
und mit ihnen auch die Arbeiter aus den Textilfabriken.
Eine Typhusepidemie
bricht aus. Bloomfield reist nach Amerika zurück, ohne sich verabschiedet zu haben.
Die Arbeiter suchen Neuner im Hotel. Er ist zusammen mit seiner Familie geflohen.
Die Soldaten kommen. Zwonimir verschwindet. Das Hotel brennt. Viele Gäste sterben,
darunter Ignatz. Es stellt sich heraus: Ignatz war Kaleguropulos. Gabriel Dan
und Abel Glanz wandern nach Amerika aus.
Viele
Schrifsteller benötigen Hunderte von Seiten, um die Unmenschlichkeit zu
beschreiben, die Europa während jener Zeit am Ausgang des ersten Weltkriegs
heimgesucht hat.
Roth dagegen schafft es,
mit wenigen und präzisen Worten die Einsamkeit des Menschen, die Feindlichkeit
und Absurdität der Welt zu zeigen.
Das zentrale Thema bei
Roth sind die menschlichen Beziehungen. Was bedeutet Blutsverwandschaft, was
bedeutet Freundschaft, wann ist Großzügigkeit
möglich, wenn überhaupt.
Das Panorama, dass er
im Buch bezeichnet, ist ziemlich düster.
Roth legt eindeutig dar, dass die Familie kaum die Zuflucht ist, die man in ihr
sehen will. Das Bild der Familie als Zufluchtsort ist idealistisch, utopisch.
Die familiären Beziehungen verschwinden, sobald es sich nicht um einen bloße Kaffee,
sondern um tatsächliche Hilfe handelt. In diesem Sinn greift der Autor die biblische
Tradition auf. Im Alten Testament existiert nicht die „große Familie“. Jede
Bruder gründet
seinen eigenen Stamm. Zusammenarbeit existiert auf Grund der Blutsbande,
sondern wegen gemeinsamer Interessen. Das Erstgeburtsrecht hat Esau und Jacob entzweit. Esau ist nach
Edom ausgewandert. Seine Feindschaft hat sich auf seine Nackommen übertragen. Deshalb
durfte Moses nicht in sein Land durchqueren, als er auf der Flug aus ägypten war.
Josefs Brüder haben ihn in eine
Grube geworfen und verlassen. Seine Rettung hat er Fremden zu verdanken. Der
Pharao war derjenige, der ihn reich und mächtig gemacht hat.
In Davids Haus vergewaltigt
Amnson seine Schwester Tamar. Absalon bringt deswegen Amnon um und gleich
darauf versucht er seinen Vater David zu entthronen.
Gabriels Onkel weigert
sich, ihm finanziell zu helfen. Gabriel wird das Geld für die Reise nach
Amerika von einem Fremd bekommen – Bloomfield.
Gabriel wird für
seine Sekretärsdienste für
Bloomfield von diesem ein „königliches Honorar“ erhalten. Der Grund dafür ist kein anderer als reine
Sympathie.
Daraus
könnte man folgen, dass die Freundschaft das stärkste Bündnis bildet. Aber Roth
existentieller Pessimismus lässt nicht für Platz für schnelle Hoffnungen. Hilfe
ist nur möglich, wenn es neben der Sympathie noch so viel Geld gibt, dass man solche
Hilfe als Wohltätigkeit bezeichnen kann.
Dem
selben Stamm anzugehören impliziert nicht bedingungslose Hilfe zwischen den
verschiedenen Ästen. Genauso wenig wie Freundschaft und Sympathie von sich aus
entstehen, wenn Menschen sich in der selben schwierigen Situation befinden.
Solidarität
in schwierigen Zeiten ist unmöglich. Not und Elend eines jeden verhindern die
Großzügigkeit. Auch wenn Gabriel Dan behauptet, dass er sich mit seinen
Frontkameraden eng verbunden fühlt, ist das mehr das Produkt eines
sentimentalen Momentes als Ausdruck der
Realität. Gleich darauf muss er zugeben, dass er nie ein Kameradschaftgefühl
gehabt habe. Noch nicht einmal als sie im Krieg waren.
Altruismus
ist nur möglich, wenn es genügend materielle Mittel gibt. „Die Menschen sind
nicht schlecht, wenn sie viel Raum haben“, schreibt Roth. In Krisenzeiten, wie
sie das Buch beschreibt, herrscht Egoismus vor. Das erklärt die Ablehnung, auf
die die Russland-Rückkehrer treffen. Die
Zeitungen sehen in ihnen die Ursache aller Probleme, insbesondere als Träger
der Revolution. In Wirklichkeit verschlechten die Rückehrer eine Situation, die
schon per se schwierig ist. Wie wir schon kommentiert haben ist Brüderlichkeit
eine Angelegenheit der Heiligen und Engel, nichts der Menschen.
Roth
kritisiert das Elend, das die Industrialiesierung mit sich bringt. „Gott straft
diese Stadt mit Industrie. Industrie ist die härteste Strafe Gottes“. Roth
zeigt sich aber skeptisch, die Revolution als Lösung zu sehen.
Die
Revolution liegt in der Luft. Ein kleiner Vorfall – der nach seinem
Friseurbesuch verhaftete Arbeiter in den Friseur Salon - enzündet eine schon
voraussehbare Explosion. Genutzt hat sie eigentlich nicht viel. Roth bleibt
seinem Pessimismus treu und ist überzeugt, dass für einige die Revolution zu
ihrer Natur gehört. Er nimmt Zwonimir als Beispiel: „Agitator, aus Liebe zur
Unruhe. Er ist ein Wirrkopf, aber ehrlich, und der glaubt an seine Revolution“.
Auch wenn er seine Aufrichtigkeit bewundert, wiederholt Roth seine Behauptung,
dass Revolutionen an sich wertlos sind. Im Gegenteil: Sie erzeugen noch mehr
Gewalt. Dem Fabrikanten Neuner gelingt es zusammen mit seiner Familie zu
fliehen. Zwonimir verschwindet zwischen den Opfer, die sich auf der Straße
anhäufen. Gabriel Dan hält ihn für tot. Revolutionen wie Kriege, lassen
nur Leichen auf ihrem Weg zurück.
Gabriel
Dan gesteht, dass ihn Revolutionen nicht interessieren. Er gibt zu, dass er zu
egoistisch ist. Die Arbeiterstreiks gehen ihn nichts an.
Meiner Meinung nach ist nicht Egoismus
der Grund warum Dan weiter läuft ohne anzuhalten, um zur Lösung der sozialen
Konflikte beizutragen zu versuchen. Vor allem ist es der Wunsch zu leben
zusammen mit dem Ekel, den er vor menschlichen Konflikten empfindet. Ebenso wie
Remarque klagt Roth das geistige und soziale Elend an, das der Krieg in sich
trägt. Der Krieg zwingt die Menschen, sich gegenseitig zu ermorden, ohne einen
Grund dafür zu haben; ohne sich gekannt zu haben.
Gabriel
Dan schwankt zwischen den Gefühlen der Solidarität und des Egoismus. „Die
Heimkehrer sind meine Brüder, sie sind hungrig. Nie sind sie meine Brüder
gewesen.“
Die
Lösung ist die radikale Freiheit: Nirgendwo hin zu gehören. Mitglied keiner
Gruppe zu sein. Der Zwang abzureisen. Es gibt nur das „weiter und weiter gehen“.
Roth zeigt den Schrecken angesichts einer tiefen Beziehung und gleichzeitig den
Wunsch, verschiedene Lebensweisen und Personen kennenzulernen, mit denen wir nur
in bestimmten Momenten und konkreten Situationen verbunden sind.
Jene,
die in dem Glauben anhalten, am Ziel angekommen
zu sein, sterben. Der Tod ist absurd und erreilt alle. Das Leben ist nicht ein „Wandeln“,
sondern ein „sich richten auf“.
Trotzdem
liegt das Ende der Reise immer vor uns selbst. Weder die innere Natur des
Menschen, noch ein göttlicher Fluch dienen hierfür als Erklärungen. Es sei
denn, dass jemand irrigerweise dächte, dass Entwurzelung zu einer dieser beiden
vorgenannten Kategorien – menschliche Natur oder göttlicher Fluch - gehört. In Wirklichkeit
sind wir nie, wo wir uns befinden. Gerade das Bewußtsein, dass wir keine Heimat
haben, zwingt uns weiter zu gehen. Es handelt sich nicht um die Entdeckung des
Paradieses. Was uns treibt, weiter voran zu gehen, ist der Wunsch, dort
anzukommen, wo „sein“ und „sich befinden“ übereinstimmen. Hin und Wieder erfasst
uns das Bedürfnis, uns irgendwo zu etablieren. Aber das Leben, der Wunsch zu
leben, drängt dazu weiter zu laufen. Die ewige Wiederkehr existiert nicht. Die
ewige Wiederkehr ist unmöglich. Die Welt verändert sich unerbittlich.
Zu
glauben, dass man zu einem Ausganspunkt zurück kehren kann, ist eine Chimäre.
Die Orte sind nie, was sie einmal waren; die Menschen auch nicht. „Ein großes
Heimweh geht von ihnen aus, die Sehnsucht vorwärtstreibt und eine verschüttete
Erinnerung an Heimat”. Der Marsch geht immer nach vorne. Vielleicht nicht immer
geradlinig, aber auf keinen Fall im Kreis.
Bloomfield
vertraut Dan an, wo sich die richtige Heimat befindet: Der Ort, in dem unsere
Verstorbenen begraben sind. Das Leben und der Tod marschieren zusammen. „Wenn mein
Vater in Amerika gestorben wäre, könnte ich ganz in Amerika zu Hause sein. Mein
Sohn wird ein ganzer Amerikaner sein, denn ich werde dort begraben werden.
(...) Das Leben hängt so sichtbar mit dem Tod zusammen und der Lebendige mit
seinen Toten. Es ist kein Ende da, kein Abbruch – immer Fortsetzung und
Anknüpfung“.
Jedoch
ist es Roth – Roth der Pessimist – der letztlich die Heimat des Millionärs
Bloomfield zerstört und ihn in geistiger Bedürftigkeit belässt. Die sozioökonomischen
und politischen Umstände in der Stadt werden Bloomfield daran hindern, das Grab seines Vaters wieder
besuchen zu können. „Er wird seine Sehnsucht unterdrücken, Henry Bloomfield“. Sein
Reichtum hilft hier nicht. Das Geld kann nicht alle Hindernisse überwinden.
Bloomfield, der Millionär Bloomfield, ist selbst auch wurzellos und wie alle
Entwurzelte dieser Erde verspürt auch er Heimweh nach einer Heimat, die er
nicht hat. Ihr Fehlen bedeutet weder eine Verfluchung noch eine Befreiung. Die
Entwurzelung ist die primäre Realität, die der Mensch akzeptieren muss, um
überleben und vorwärts gehen zu können. Niemand weiß genau wohin. Das ist indes
gleichgültig. Wichtig ist vielmehr nur immer vorwärts zu laufen. Das ersehnte
Amerika deutet lediglich den Name des neuen Zieles an, nicht den einer neuen
Heimat. Die Neuankömmlinge werden weiter ihre wurzellose Natur mit sich schleppen
müssen; sogar hoffnungloser als früher. Wie Singer in seinem Roman „Schatten
über den Hudson“ bedauert, wird es zwischen den Eltern, die nach Amerika
gekommen sind und ihren Kinder, die dort geboren sind, nicht einmal die
Affinität der Sprache existieren.
Einsamkeit
ist das Axiom, auf das sich die menschliche
Existenz gründet. Nur wenn wir uns dessen bewusst sind, können wir den Tod
vermeiden.
Manchmal
ist der Pessimismus das einzige, was uns rettet.
Vorausgesetzt
wir sind stärker als er...
Bis
zur nächsten Woche!
Isabel Viñado
Gascón
.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.