Zwei Akte genügen Arthur Miller, um die Natur des kollektiven Wahnsinns zu präsentieren. Miller zeigt wie dieses Monster geboren wird, wie es sich ausdehnt und wie es nur verschwindet, nachdem es mit dem Blut Unschuldiger satt geworden ist.
Man kann beobachten, dass ich „verschwindet“ und nicht „stirbt“ geschrieben habe. In der Tat: das Monster verlässt den verheerten Ort, ohne dass man weiß, wann oder wo es wieder erscheinen wird; noch nicht einmal mit welchen Stärke es wieder zurück kommen wird.
In dem Theaterstück von Miller verursacht Abbigail, die Nichte des Pfarrer Parris, die Tragödie. Sie wurde erwischt wie sie nachts mit ihren Freundinnen im Wald tanzte. Einige, wie auch Parris Tochter erkranken, und alle, sogar die Ärtze, sind ratlos. Sie vermuten, dass dahinter etwas Unheimliches steckt. Abbigail und ihre Freundinnen haben Angst entdeckt zu werden. Sie nutzen den Verdacht, dass Hexerei Ursache der Erkrankungen sei, als Möglichkeit, der Strafe für das Tanzen zu entfliehen. Sie behauptet, dass sie einige Frauen im Wald mit dem Teufel tanzen gesehen hat. Sie überzeugen davon nicht nur die meisten Bewohner des Dorfes, sondern auch später die Richter.
Abigails Attacke richtet sich vor allem gegen eine Frau namens Elizabeth. Abbigail hat schon einmal in der Vergangenheit ihren Mann, Dr. Procton, verführt. Sie ist überzeugt, dass er sie liebt und dass er im tiefsten seiner Seele „Halleluja“ singen würde, wenn seine Frau gehenkt würde. In Wahrheit aber benutzt Abigail ihre Leidenschaft, um sich an der Gruppe der achtbaren Frauen des Dorfes zu rächen, die sie wegen ihres Lebenswandels nicht akzeptiert haben.
Abigail und ihre Freundinnen beginnen, die achtbaren Frauen der Gemeinde anzuklagen. Dadurch verursachen sie die Zerstörung des Zusammenlebens im Dorf.
Die Situation für die angeklagten Frauen ist kompliziert. Wenn sie vor Gericht gestehen, dass sie Hexen sind und mit dem Teufel getanzt haben, werden sie zwar frei gelassen, aber aus der Kirche verstoßen. Wenn sie allerdings vor Gericht ihre Unschuld behaupten und der Hexerei überführt werden, werden sie aufgehängt.
Für die Männer hat die Anklage einen wirtschaftlichen Charakter. Werden sie verurteilt, verlieren sie ihr Leben und ihre Güter werden konfisziert. Der Dorfbewohner Giles Corey, der weiß, dass es genügend Zeugen gibt, die die Anklage der Hexerei zu unterstützen bereit sind sind, will eine Verurteilung um jeden Preis vermeiden. Er findet eine Lösung: Da nur gegen ihn prozessiert werden kann, wenn er auf die Anklage weder mit „ja“ noch mit „nein“ antwortet, verweigert er die Antwort. Die Richter wollen eine Antwort durch Folter erpressen. Corey erstickt unter der Last des Steines ohne „ja“ oder „nein“ gesagt zu haben. So verliert er zwar sein Leben, aber er kann sein Vermögen für seine Kinder retten.
Der Wahnsinn bemächtigt sich des Dorfes. Der Richter Danforth fällt seine Urteil, obwohl er erkennt, dass die Anklagen auf Lügen beruhen. Er fürchtet, dass er von den Anderen als schwach angesehen wird, wenn er seine Urteile aufhebt. Deswegen opfert er die Wahrheit und damit die Leben von vielen Unschuldigen.
Auch der Pfarrer Parris, Abigails Onkel, kennt die Wahrheit, aber er verteidigt seine Nichte. Auch er ist von der Gruppe der Respektablen nicht akzeptiert. Grund für diese Ablehnung ist, dass die Gemeinde mehr an Spiritualität interessiert ist, während Pastor Parris sich um einen höheren Lohn und einen Kirchengoldschmuck bemüht.
Am Ende des Theaterstücks entflieht Abigail in Begleitung eines Mannes mit allen Ersparnissen ihres Onkels.
Die Unschuldigen sterben, um ihre Ehre zu retten. Die Schuldigen haben kein Problem, ohne sie leben zu müssen.
Man kennt die Wahrheit vor dem Opfer, aber nur nach dem Opfer wird sie anerkannt.
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Am kollektiven Wahnsinn sind auf jeden Fall immer die gleichen Akteure beteiligt: Diejenigen, die einflüstern; diejenigen, die den Eingeflüsterungen erliegen und die Opfer, auf die die Schuld an allen Problemen und Schaden der Welt fällt.
Die Dynamik ist auch immer dieselbe: Das einzige, was sich verändert sind die Vorwände, der kollektive Wahnsinn nutzt und die Proportionen, die er erreicht.
Die „Einflüsterer“ sind von niedrigsten Instinkten besessen. Ihre Motiven wurzeln in Rache, Neid oder Angst.
Zwei gemeinsame Noten charakterisieren solche Individuen: Erstens besitzen sie die notwendigen Instinkte, um die tiefsten und irrationalen Urängste zu ahnen, die jede Gesellschaft – sogar eine offene - in ihrem Inneren versteckt.
Zweitens sind sie intelligente genug, um solche Ängste ans Licht zu bringen, um ihre Ziele zu erreichen. Sie sind imstande die Furcht vor Armut und Krankheiten oder wie in diesem Fall vor dem Übernatürlichen ausnutzen.
Die Argumente wechseln nach Zeit und Ort. Die Dynamik dagegen bleibt.
Die „Eingeflüsterten“ sind schwache Individuen, die keine Lust haben die Wahrheit zu suchen. Dies verlangt nämlich Urteilsunabhängigkeit und moralische Kraft, um zu akzeptieren, dass der Irrtum auch eine Möglichkeit sein könnte.
Ihnen geht es darum, eine Erklärung zu haben für die Schwierigkeiten, die sie erleben. Das wäre verständlich, wenn sie eine wahre Erklärung wollten. Aber was sie fordern ist eine schnelle, einfache und konkrete Erklärung. Ein Sündenbock ist die schnellste, einfachste und konkreteste Erklärung.
Die Opfer sind unschuldige Menschen, die zufälliger Weise den Einflüsterern begegnet sind und ihren tiefsten Hass erweckt haben. Manchmal ist es wegen ihrer Rasse, Religion oder Kultur. Andere, wie in diesem Theaterstück, weil sie eine bestimmte Position in der Gesellschaft einnehmen, um die sie die Einflüsterer beneiden.
Die Reaktionen der Opfer sind unterschiedlich: Einige identifizieren sich mit der in der Gruppe herschenden Anschaung. Sie akzeptieren ihre Schuld und sehen ihre Opferung als Weg, ihre Sünde zu bußen. Andere unterschreiben alles, was nötig ist, um am Leben zu bleiben. Andere fliehen und verlassen diese Gesellschaft für immer.
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Der kollektive Wahnsinn tritt mit verschiedenen Vorwänden und Proportionen auf. Sein schlimmster Ausdruck ist ein Weltkrieg, sein schwächerer die Ausgrenzung eines einzelnen Mensch.
Er kann in einer Schule erscheinen, in einem ganzen Dorf oder in der ganzen Welt. Wenn seine Flammen erlöschen, bleibt eine zerstörte Gesellschaft übrig. Niemand kann richtig erklären, was passiert ist. Die es erlitten haben, sprechen von einer Art Fieber; Andere erinneren sich an nichts. Keiner kann erklären, warum ein solcher Grad von Gewalt explodiert ist.
In der Tat, der entfesselte Zorn ist völlig disproportional zu den Argumenten, die den Vorfall rechtfertigen möchten. Viel schwieriger wird es noch, wenn die Opfer einzelne Individuen ist. Man hört, dass sie einen Hund hatte, dass sie sich anders bekleidete, dass sie zuviele Besuche bekommen hat, dass sie zuwenig hatte und so weiter.
Auf jeden Fall, das Ziel ist immer dasselbe: die Zerstörungs des Opfers.
Auch in unseren Zeiten existiert der kollektive Wahsinn. Man hat ihn aber nicht so präsent, weil er neben seinen alten Zügen neue Aspekte entwickelt hat.
So ist in den letzten Jahrzehnten ein neues Phänomen aufgetaucht, die die verschiedenen Sprache gezwungen hat, ein Wort zu finden, um es zu definieren. Auf Deutsch ist es „Mobbing“. In India heißt es „ragging“. In Spanien ist es „bullying“. Auf spanisch existierte das Wort „acoso“, aber es bezog sich hauptsächlich auf sexuelle Belästigung.
„Mobbing“, “ragging“, „bullying“ schließen psychologische und physische Gewalt ein, die das ganze moralische Gebiet überflutet.
Dieses Phänomen zeigt vor allem, dass die Götter, die das Blut der Unschuldigen verlangen sich an die neuen Zeiten angepasst haben. Sie haben gelernt, dass sie, um ihre Opfern zu vernichten, nicht immer ihr Blut ausfließen lassen müssen. Es reicht, wenn sie ihre Seele zerstören.
Und das alles in Zeiten, die sich selbst säkular nennen. Als ob die Abwesenheit in der Sonntagsmesse und sich als Agnostiker zu erklären die Religiosität zerstören könnte. Als ob die Religiosität nicht zur Natur des Menschens gehören würde. Der Umstand, dass Götter, Axiome, letzte Ursachen - oder wie man es nennen will – durch neue Götter, Axiome, letzte Ursache ersetzt werden können, bedeutet noch lange nicht, dass die Religiosität verschwindet.
Das Neue ist die psychologische Boshaftigkeit der Ausgrenzung, die die Opfer erleiden. Man dreht die Bedeutung ihrer Worte um. Man entstellt ihre Gedanken und Ideen. Man defomiert ihre Taten. Ihre Tugenden werden als Defekte gezeigt, ihre Erfolge verschwiegen. Man erfindet Fehler, um sie in Verruf zu bringen. Man verwandelt und verzerrt also die Grundlagen, die diesen Menschen bilden. So dass er sich nicht mehr selbst erkennen kann. Er versteht das Bild nicht, das er von außen aufgedrängt bekommt. Gleichzeitig zweifelt er über sein eigenes Bild. Dieser Mensch wird seines eigenen Wesens entleert. Was bleibt ist eine Leiche, die laufen kann: ein Zombie.
Trotzdem hat man keinen Bluttropfen vergossen.
Trotzdem hat man keinen Beleidigung ausgesprochen.
Und das alles mit den neuen Waffen, die diese Bestie gefunden hat. Grundsätzlich sind es zwei.
Die erste ist der Humor, die er in Spott verwandelt wird. Der Humor dient nicht mehr dazu, das Leben leichter zu machen. Die neue „Abigails“ benutzen, sie um den Charakter anderer zuformieren. Solche Individuen sind ganz normale Menschen, aber – ohne das zu wissen - haben sie die dunkleste Leidenschaftes der „Abigails“ entzündet.
In anderen Zeiten wurden die Opfer gefoltert, geköpft oder ins Konzentrationslager geschickt. In unsere Tagen hat das Monster des kollektiven Wahnsinns gelernt den Humor als Spötterei zu benutzen. So kann es sich mit dem Blut der Unschuldigen satt machen, ohne dass jemand das Blut sehen muss. Falls eine Leiche gefunden wird, ist es mehr als wahrscheinlich, daß es Selbstmord war. Die meistens ihrer „Bekannten“ werden behaupten, dass dieser Tote psychische Probleme hatte.
Die andere Strategie, die die Bestie entwickelt hat, ist es, eine bestimmte Tugend herauszunehmen und sie als „die Tugend“ zu verabsolutieren. Ich kenne mindestens sechs Optionen: die Ehre, die Tapferkeit, die Sauberkeit, die Ordnung, die Ruhe und die Arbeit.
Ich möchte die Ruhe als Beispiel nehmen: Alle von uns werden mehr oder weniger akzeptieren, dass zum Arbeiten Ruhe notwendig ist. Man braucht sie, um zu lernen und zu meditieren. Lärm ist negativ sowohl für die Ohren als auch für die Seele. Aber zwischen der Ruhe, die eine Tätigkeit ermöglicht und die lähmender Friedhofsruhe, die manche in ihrem Wohnviertel durchsetzen wollen, gibt es einen gewaltigen Unterschied.
Der Kern in unserem Beispiel ist, dass es dem „Ruhe-Bessesene“ um die Ruhe um der Ruhe selbst geht. Statt sie zu nutzen, um seinen Geist zu entwickelen, instrumentalisiert er sie als Ausrede, um seine Herzbitterkeit zu verstecken. Er betrachtet die Ruhe nicht als Tugend, sondern als Vorwand, weil es ihn stört, dass die zufriedenen Nachbarn mit ihren Freunden auf der Terrasse sitzen, die Kinder draußen im Garten spielen. Diejenigen, die ein Fest organisieren, müssen entweder mit ihm oder mit der Polizei rechnen.
Dasselbe passiert mit den anderen Werten, die ich vorher gennant habe.
Die Konsequenzen, die eine derartige Tyrannei verursacht, sind in der Regel sehr ähnlich. Die Betroffenen haben das Gefühl, dass die Jagdsaison eröffnet ist und sie das Freiwild sind.
Gegen solch grausames Verhalten gibt es nur ein Mittel: das kritische und unabhängige Urteil und der Mut, wenn nicht aktiv die Opfer zu verteidigen, doch zumindest nicht an solcher Verfolgung teilzunehmen. Wenn diejenigen, die den Wahnsinn entfachen wollen, sehen, dass sie keine Chance haben, verzichten auf ihr Vorhaben oder zumindest wird die Bosartigkeit ihrer Absichten deutlich sichtbar.
Es ist fundamental, an das „Sapere Aude“ zu erinnern. Es ist wichtig, auf die individualistiche kantianische Moral zurück zu kommen, ohne die Gefahren zu vergessen, die Nietzsche gesehen hat. Nur mit dem aristotelischen Mittelweg können wir sie bewältigen.
Wir müssen die Tugenden so ausüben, dass sie uns helfen, unsere eigene Existenz zu konstruieren anstatt sie zu ersticken. Dazu müssen wir wissen, dass das Apolinische und das Dyonisische zusammengehören. Der aristotelische Mittelweg hilft uns weder moralischen Diktaturen – selbst wenn diese nur für uns gelten - noch dyonisischer Wildheit zu verfallen –auch wenn sie tatsächlich eine Seite von uns selbst ist.
Es wird Zeit, dass die blutdurstigen Götter an Ernährungsmangel sterben.
Bis zur nächsten Woche!
Isabel Viñado
Gascón
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