Wenn wir auf diese Frage
antworten möchten, sollten wir uns zuerst fragen, was wir unter „Gemein“ und „Wohl“
verstehen. Der erste Begriff hat mit Politik (oder mit der öffentlichen Sphäre)
zu tun; der zweite, mit Moral. Es stellt sich die Frage: Ist es möglich Politik
mit Ethik zu kombinieren? Damit meine ich nicht die „theoretische Politik“,
sondern die Politik in ihrer Praxis.
Viele behaupten, dass eine Zusammenarbeit,
eine Verbindung zwischen Politik und Ethik unmöglich sei. Dafür werden verschiedene
Gründe eingeführt. Manche Stimmen behaupten, dass Politik immer unmoralisch sei.
Andere meinen, dass Ethik den Bereich der Individuellen Lebensführung gehöre,
nirgendwo sonst.
Wenn das so ist, braucht man in
der Tat nur ein Rechtsystem, die jede Handlung juristisch situativ
reguliert. Nicht die Moral, sondern die
Situation wäre der Maßstab nachdem die Politik arbeiten sollte. Soziale
Gerechtigkeit wäre als Instrument zur Wahrung des sozialen Friedens um Frieden
in der Gesellschaft, nicht als ethische Pflicht zu gesehen. Es wäre richtig ein
bestimmtes soziales Verhalten von den Bürgern zu verlangen, damit dieser
kollektive Friede in der Gesellschaft erhält.
Kurz gesagt: es würde reichen,
wenn alle Maßnahmen situativ, legalistisch und rein utilitaristisch wären.
Frieden oder gar soziale Harmonie und nicht Ethik wäre das größte Ideal. Die
meisten Diktaturen haben solche Prämissen postuliert.
Aber wenn wir annehmen, dass die
Möglichkeit einer Beziehung zwischen Politik und Ethik besteht, dann sollen wir
uns darüber Gedanken machen, wie dieses Verhältnis sein soll.
Wenn das Gemeine herrscht,
sind die Individuelle Bedürfnisse kaum relevant. Das Individuum soll sich an
die Bedürfnisse der Gruppe anzupassen. Die Ethik steht im Dienst des
Öffentlichen. Das Individuum soll sich für die Gruppe opfern, wenn das für die
Gruppe vorteilhaft ist. Das ist zum Beispiel, in dem Stück „Die Maßnahme“, von Bertold
Brecht der Fall. (Dagegen hat Jesus Opferung eine ganz andere Bedeutung. Jesus
Opferung bedeutet, dass die Erlösung individuell und nicht kollektiv ist. Es
ist der Mensch und nicht das Volk, das sich erlöst. Das Volk von Israel befreit
sich (erlöst sich) von der Sklaverei in Ägypten. Diese Befreiung dauert 40
Jahre. Die Erlösung ist ein physischer Weg des Volkes durch die Wüste. Jesus
wird 40 Tage auf der Wüste sein. Es ist kein physischer Weg. Er läuft nicht. Er
steht dort. Jesus zeigt, dass die Erlösung nicht ein physischer, sondern ein
seelischer und individueller Weg ist.)
Wenn die Ethik herrscht, besteht
die Gefahr, dass die Gesellschaft stagniert. Die Rigidität der moralischen
Normen, kann so tyrannisch werden wie die Rigidität des politischen Legalismus.
Deshalb ist es extrem wichtig,
eine Harmonie zwischen beiden hinzukriegen.
Eine erste Möglichkeit
wäre eine Verschmelzung zwischen Politik und Ethik. Die „ganze“ Gesellschaft
würde nach denselben Prinzipen streben und wäre eine Art Chor, der etwas in der
Richtung „Om“ singen würde. Eine Art Mantra oder Litanei.
Eine zweite Möglichkeit
wäre die Gesellschaft als Orchester zu verstehen. Die Pluralität ist
hier gesichert. Verschiedene Instrumente, die verschiedene Töne und Rhythmen
spielen. Es bestehen hier zwei Schwierigkeiten. Erstens: das Orchester hat die
Musik, das es spielt nicht komponiert. Zweitens, das Orchestra braucht einen
Dirigenten. Die Möglichkeiten der Freiheit sind begrenzt: Variationen über
dasselbe Thema. Ein falscher Ton, eine falsche Bewegung, und die ganze Harmonie
verschwindet. Es wäre eine selbstkritische Gesellschaft, die nach fremden und
äußerlichen Kompositionen strebt.
Eine dritte Möglichkeit
ist die Gesellschaft als einen Aufbau zu betrachten. Meiner Meinung nach, ist dies die beste
Option.
So gesehen ist Gemeinwohl ein
gewünschter so wie geplanter Aufbau in kollektiver Freiheit und
Eigenverantwortung für die Nachhaltigkeit der Kathedrale der Gesellschaft in
der Zukunft. Warum spreche ich über eine Kathedrale? Erstens, weil der
Aufbau einer Kathedrale sich auf die Zukunft richtet. Eine Generationsweiterführung
ist unerlässlich. Zweitens, weil für diese Konstruktion Freiheit - und nicht
Sklaverei, wie es für die Pyramiden der Fall war, essentiell ist. Drittens,
weil die Grundlagen, der Zweck und das Ziel des Aufbaus der Kathedrale nach
einem Hohen Ersten Axiom streben.
Außerdem besteht eine Kathedrale auf Steinen (Politik) und Geist
(Ethik), so dass zwischen den beiden Komponenten eine Harmonie herrschen soll.
Politik und Ethik würden dann
zusammen die Gesellschaft in den Aufbau einer Kathedrale verwandeln. Die
Politik bildete die Steine, die Ethik wäre der Geist. Dafür braucht man einen
Dialog, der auch die Diskussion und die verschiedenen Meinungen erlaubt, eine
individuelle Verantwortung, die auch im Dienst des Kollektiven (oder der
Allgemeinheit) dazu dient, die Pläne zu definieren und zu konkretisieren. Die
Pläne zu entwickeln, verlangt in der Tat Kompromiss. Kompromiss bedeutet hier
eine Verpflichtung und nicht eine Verzichterklärung, um die verschiedenen
hedonistischen Neigungen auszugleichen. Nicht nur Frieden ist hier angesagt,
sondern vor allem Freiheit. Nur in der Freiheit ist eine aktive und
verantwortliche Haltung möglich. Die Bedürfnisse aller sollen berücksichtig
werden. Dafür ist – wie von Tocqueville vorgeschlagen die bürgerliche
Assoziation nötig, die auch dynamisch und wachsam über sich selbst bleiben
soll.
Aber wie jeder Aufbau, soll auch
das Gemeinwohl in die Zukunft schauen. Wozu baut man eine Kathedrale, trotz
aller Schwierigkeiten, wenn nicht für die Ewigkeit? Nachhaltigkeit ist meiner
Meinung nach, das größte Ziel des Gemeinwohles. Unter „Nachhaltigkeit“ verstehe
ich nicht nur die Erhaltung der Natur, sondern auch die universelle Menschenrechte,
- die doch universelle Rechte sind, weil es doch universelle Rechte gibt - und
die Menschen Verpflichtungen gegenüber sich selbst und den anderen. Ich benutze
„Nachhaltigkeit“ im Sinn von Konkretisierung und konkretisierende Transzendenz.
Nachhaltigkeit bedeutet: Wir haben zusammen
einen Plan konzipiert. Dieser Plan ist nicht situativ aber konkret. Es fängt
nicht mit uns an. Es endet auch nicht mit uns. Er ist eine Verantwortung
gegenüber der Vergangenheit, um die nötigen Reformen umsetzen, ohne das ganze
Gebäude zu demolieren. Eine Verantwortung gegenüber uns selbst, damit die Kathedrale
schöner wird. Und vor allem, eine Verantwortung gegenüber der Zukunft, damit
sie den Aufbau der Kathedrale übernehmen können, ohne dass die Gefahr besteht,
dass das ganze Gebäude über ihre Köpfe einstürzt. Die Gesellschaft wird ein
Orchester, das seine eigenen Kompositionen spielt. Deshalb ist Freiheit so
wichtig. Deshalb ist es auch so wichtig, die ganze Gesellschaft an dem Projekt
zu beteiligen. Und diese Beteiligung kann nur relevant sein, wenn jedes
einzelne Individuum sich ernst nimmt und sich für dieses gemeinsames Projekt
verantwortlich fühlt.
Das alle ist unmöglich zu
schaffen ohne den Glauben an ein höheres spirituelles Erstes Axiom. Der
Materialismus glaubt nur an die Steine (Politik), nicht an die Ethik. Für den
Materialismus ist alles Politik und Politik alles. Es ist ein „Om“ Mantra:
Alles in Einem; Eines im Allem. Für den Nihilismus, ist die Zukunft irrelevant.
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, alles endet im Nichts. Für den
nihilistisches Materialismus, retten die Steine - wenigstens vorübergehen - vor
dem Abgrund des Nichts. Die Politik sind die Steine und die Steine bedeuten
Macht. Ethik ist nur etwas für Schwächlinge.
Nur die Existenz ein höheres
spirituelles erstes Axiom erlaubt uns den Aufbau der Kathedrale der
Gesellschaft in dynamischer Freiheit und Frieden für die Zukunft.
In dieser Hinsicht wäre eine
Zurückgewinnung der christlichen Metaphysik und sogar der christlichen Mystik,
nicht schlecht. Das Problem: in Moment beschäftigt die Kirche beschäftig sich
die Kirche mehr mit „weltlichen“ Themen wie Homosexualität, Frauenbeteiligungen
und sozial Gerechtigkeit, (die schon seit lange durch die Politik gelöst oder
zumindest adressiert worden sind) als mit Spiritualität. Die Schlussfolgerung: Der
Geist der Kathedrale ist in den Händen von Wicca Gruppen, Kräuterhexe,
Heilpraktiker, verschiedene Sekten und Visionäre die keine richtiger Aufbau
unternehmen können, weil kein Aufbau auf Visionen und Phantasmagorien bestehen
kann.
Warum nehme ich das Symbol der
Kathedrale, das ein Aufbau bedeutet und nicht das Symbol des Exodus, das von einer
gemeinsamen Rettung spricht, um das Gemeinwohl zu repräsentieren?
Viele amerikanische Filme, viele
kollektive Bewegungen schildern eine gemeinsame Gefahr als Anlass, um an das
Gemeinwohl zu appellieren. Eine gemeinsame Gefahr bedeutet für viele den richtigen
Wecker des verschlafenen Gemeinwohles eines Volkes.
Ich bin dagegen. Aus mehreren
Gründen.
Eine gemeinsame Gefahr verlangt
in der Tat eine Zusammenarbeit, aber in dieser Zusammenarbeit fehlt das
Element, das meiner Meinung nach unentbehrlich zum Gemeinwohle dazugehört: die
Freiheit.
Dort wo es Not gibt, gibt es
keine richtige Freiheit, die in Erscheinung treten könnte.
Das ist
das Problem des „Leviathan“ von Hobbes. Die Menschen finden sich in einer Notlage:
es herrscht der Krieg aller gegen alle. Um diese Situation überwinden zu
können, brauchen die Menschen einen Vertrag in welchem sie auf ihre Rechte
verzichten, damit sie aus dieser Situation rauskommen können. Aber kurz danach,
als die Situation sich verbessert hat, möchte jeder dieser Menschen seine
ursprünglichen Rechte wiederbekommen. So ist der Frieden in ständiger Gefahr.
Deshalb wird die Sicherheit wichtiger in der Gesellschaft als die Freiheit. Das
Strafrecht wird ein wichtiges Element der Gesellschaft werden, die Kontrolle
über die Bevölkerung wird eine immer größere Rolle spielen.
Die Notwendigkeit, die Gefahr zu
überwinden lässt außerdem kaum einen Raum, um einen Aufbau des Zusammenlebens
zu ermöglichen.
Der Geist wird Kollektiv. Der Ton
wird den Tönen eines „Om“ ähneln, nicht den Tönen einer Orchestra. Alle diese kollektiven
Bewegungen, schreien nach verschiedenen möglichen Feinden - egal ob der Feind
ein Meteorit oder ein Land ist.
Wenn die Vertreter dieser Bewegungen Drohungen
und Gefahren anklagen, sprechen sie ganz bestimmt, aber wenn sie über Lösungen
reden, fallen sie immer in die „Freund/Feind“ Dialektik, war immer Krieg
bedeutet.
Krieg und
Gemeinwohl passen nicht zusammen.
Auch
Glück und Gemeinwohl passen nicht zusammen. Das Glücksgefühl ist nicht nur ein extremes
subjektives Konzept, sondern auch ein sehr vergänglicher Begriff. Deshalb bin
ich auch nicht mit den utilitaristischen Positionen einverstanden.
Isabel Vinado Gascon.
Texte die zur Inspiration diesen
Impuls wichtig gewesen sind:
„Freiheit“, Kardinal Marx
„Die Demokratie in Amerika“, Tocqueville.
Und die „Freitags für Freiheit“
Bewegung.
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