Freitag, 14. August 2020

Ein Beitrag über das Gemeinwohl

 

Wenn wir auf diese Frage antworten möchten, sollten wir uns zuerst fragen, was wir unter „Gemein“ und „Wohl“ verstehen. Der erste Begriff hat mit Politik (oder mit der öffentlichen Sphäre) zu tun; der zweite, mit Moral. Es stellt sich die Frage: Ist es möglich Politik mit Ethik zu kombinieren? Damit meine ich nicht die „theoretische Politik“, sondern die Politik in ihrer Praxis.

Viele behaupten, dass eine Zusammenarbeit, eine Verbindung zwischen Politik und Ethik unmöglich sei. Dafür werden verschiedene Gründe eingeführt. Manche Stimmen behaupten, dass Politik immer unmoralisch sei. Andere meinen, dass Ethik den Bereich der Individuellen Lebensführung gehöre, nirgendwo sonst.

Wenn das so ist, braucht man in der Tat nur ein Rechtsystem, die jede Handlung juristisch situativ reguliert.  Nicht die Moral, sondern die Situation wäre der Maßstab nachdem die Politik arbeiten sollte. Soziale Gerechtigkeit wäre als Instrument zur Wahrung des sozialen Friedens um Frieden in der Gesellschaft, nicht als ethische Pflicht zu gesehen. Es wäre richtig ein bestimmtes soziales Verhalten von den Bürgern zu verlangen, damit dieser kollektive Friede in der Gesellschaft erhält.

Kurz gesagt: es würde reichen, wenn alle Maßnahmen situativ, legalistisch und rein utilitaristisch wären. Frieden oder gar soziale Harmonie und nicht Ethik wäre das größte Ideal. Die meisten Diktaturen haben solche Prämissen postuliert.

Aber wenn wir annehmen, dass die Möglichkeit einer Beziehung zwischen Politik und Ethik besteht, dann sollen wir uns darüber Gedanken machen, wie dieses Verhältnis sein soll.

Wenn das Gemeine herrscht, sind die Individuelle Bedürfnisse kaum relevant. Das Individuum soll sich an die Bedürfnisse der Gruppe anzupassen. Die Ethik steht im Dienst des Öffentlichen. Das Individuum soll sich für die Gruppe opfern, wenn das für die Gruppe vorteilhaft ist. Das ist zum Beispiel, in dem Stück „Die Maßnahme“, von Bertold Brecht der Fall. (Dagegen hat Jesus Opferung eine ganz andere Bedeutung. Jesus Opferung bedeutet, dass die Erlösung individuell und nicht kollektiv ist. Es ist der Mensch und nicht das Volk, das sich erlöst. Das Volk von Israel befreit sich (erlöst sich) von der Sklaverei in Ägypten. Diese Befreiung dauert 40 Jahre. Die Erlösung ist ein physischer Weg des Volkes durch die Wüste. Jesus wird 40 Tage auf der Wüste sein. Es ist kein physischer Weg. Er läuft nicht. Er steht dort. Jesus zeigt, dass die Erlösung nicht ein physischer, sondern ein seelischer und individueller Weg ist.)

Wenn die Ethik herrscht, besteht die Gefahr, dass die Gesellschaft stagniert. Die Rigidität der moralischen Normen, kann so tyrannisch werden wie die Rigidität des politischen Legalismus.  

Deshalb ist es extrem wichtig, eine Harmonie zwischen beiden hinzukriegen.

Eine erste Möglichkeit wäre eine Verschmelzung zwischen Politik und Ethik. Die „ganze“ Gesellschaft würde nach denselben Prinzipen streben und wäre eine Art Chor, der etwas in der Richtung „Om“ singen würde. Eine Art Mantra oder Litanei.

Eine zweite Möglichkeit wäre die Gesellschaft als Orchester zu verstehen. Die Pluralität ist hier gesichert. Verschiedene Instrumente, die verschiedene Töne und Rhythmen spielen. Es bestehen hier zwei Schwierigkeiten. Erstens: das Orchester hat die Musik, das es spielt nicht komponiert. Zweitens, das Orchestra braucht einen Dirigenten. Die Möglichkeiten der Freiheit sind begrenzt: Variationen über dasselbe Thema. Ein falscher Ton, eine falsche Bewegung, und die ganze Harmonie verschwindet. Es wäre eine selbstkritische Gesellschaft, die nach fremden und äußerlichen Kompositionen strebt.

Eine dritte Möglichkeit ist die Gesellschaft als einen Aufbau zu betrachten.  Meiner Meinung nach, ist dies die beste Option.

So gesehen ist Gemeinwohl ein gewünschter so wie geplanter Aufbau in kollektiver Freiheit und Eigenverantwortung für die Nachhaltigkeit der Kathedrale der Gesellschaft in der Zukunft. Warum spreche ich über eine Kathedrale? Erstens, weil der Aufbau einer Kathedrale sich auf die Zukunft richtet. Eine Generationsweiterführung ist unerlässlich. Zweitens, weil für diese Konstruktion Freiheit - und nicht Sklaverei, wie es für die Pyramiden der Fall war, essentiell ist. Drittens, weil die Grundlagen, der Zweck und das Ziel des Aufbaus der Kathedrale nach einem Hohen Ersten Axiom streben.  Außerdem besteht eine Kathedrale auf Steinen (Politik) und Geist (Ethik), so dass zwischen den beiden Komponenten eine Harmonie herrschen soll.

Politik und Ethik würden dann zusammen die Gesellschaft in den Aufbau einer Kathedrale verwandeln. Die Politik bildete die Steine, die Ethik wäre der Geist. Dafür braucht man einen Dialog, der auch die Diskussion und die verschiedenen Meinungen erlaubt, eine individuelle Verantwortung, die auch im Dienst des Kollektiven (oder der Allgemeinheit) dazu dient, die Pläne zu definieren und zu konkretisieren. Die Pläne zu entwickeln, verlangt in der Tat Kompromiss. Kompromiss bedeutet hier eine Verpflichtung und nicht eine Verzichterklärung, um die verschiedenen hedonistischen Neigungen auszugleichen. Nicht nur Frieden ist hier angesagt, sondern vor allem Freiheit. Nur in der Freiheit ist eine aktive und verantwortliche Haltung möglich. Die Bedürfnisse aller sollen berücksichtig werden. Dafür ist – wie von Tocqueville vorgeschlagen die bürgerliche Assoziation nötig, die auch dynamisch und wachsam über sich selbst bleiben soll.

Aber wie jeder Aufbau, soll auch das Gemeinwohl in die Zukunft schauen. Wozu baut man eine Kathedrale, trotz aller Schwierigkeiten, wenn nicht für die Ewigkeit? Nachhaltigkeit ist meiner Meinung nach, das größte Ziel des Gemeinwohles. Unter „Nachhaltigkeit“ verstehe ich nicht nur die Erhaltung der Natur, sondern auch die universelle Menschenrechte, - die doch universelle Rechte sind, weil es doch universelle Rechte gibt - und die Menschen Verpflichtungen gegenüber sich selbst und den anderen. Ich benutze „Nachhaltigkeit“ im Sinn von Konkretisierung und konkretisierende Transzendenz.  Nachhaltigkeit bedeutet: Wir haben zusammen einen Plan konzipiert. Dieser Plan ist nicht situativ aber konkret. Es fängt nicht mit uns an. Es endet auch nicht mit uns. Er ist eine Verantwortung gegenüber der Vergangenheit, um die nötigen Reformen umsetzen, ohne das ganze Gebäude zu demolieren. Eine Verantwortung gegenüber uns selbst, damit die Kathedrale schöner wird. Und vor allem, eine Verantwortung gegenüber der Zukunft, damit sie den Aufbau der Kathedrale übernehmen können, ohne dass die Gefahr besteht, dass das ganze Gebäude über ihre Köpfe einstürzt. Die Gesellschaft wird ein Orchester, das seine eigenen Kompositionen spielt. Deshalb ist Freiheit so wichtig. Deshalb ist es auch so wichtig, die ganze Gesellschaft an dem Projekt zu beteiligen. Und diese Beteiligung kann nur relevant sein, wenn jedes einzelne Individuum sich ernst nimmt und sich für dieses gemeinsames Projekt verantwortlich fühlt.

Das alle ist unmöglich zu schaffen ohne den Glauben an ein höheres spirituelles Erstes Axiom. Der Materialismus glaubt nur an die Steine (Politik), nicht an die Ethik. Für den Materialismus ist alles Politik und Politik alles. Es ist ein „Om“ Mantra: Alles in Einem; Eines im Allem. Für den Nihilismus, ist die Zukunft irrelevant. Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, alles endet im Nichts. Für den nihilistisches Materialismus, retten die Steine - wenigstens vorübergehen - vor dem Abgrund des Nichts. Die Politik sind die Steine und die Steine bedeuten Macht. Ethik ist nur etwas für Schwächlinge.

Nur die Existenz ein höheres spirituelles erstes Axiom erlaubt uns den Aufbau der Kathedrale der Gesellschaft in dynamischer Freiheit und Frieden für die Zukunft.

In dieser Hinsicht wäre eine Zurückgewinnung der christlichen Metaphysik und sogar der christlichen Mystik, nicht schlecht. Das Problem: in Moment beschäftigt die Kirche beschäftig sich die Kirche mehr mit „weltlichen“ Themen wie Homosexualität, Frauenbeteiligungen und sozial Gerechtigkeit, (die schon seit lange durch die Politik gelöst oder zumindest adressiert worden sind) als mit Spiritualität. Die Schlussfolgerung: Der Geist der Kathedrale ist in den Händen von Wicca Gruppen, Kräuterhexe, Heilpraktiker, verschiedene Sekten und Visionäre die keine richtiger Aufbau unternehmen können, weil kein Aufbau auf Visionen und Phantasmagorien bestehen kann.

Warum nehme ich das Symbol der Kathedrale, das ein Aufbau bedeutet und nicht das Symbol des Exodus, das von einer gemeinsamen Rettung spricht, um das Gemeinwohl zu repräsentieren?

Viele amerikanische Filme, viele kollektive Bewegungen schildern eine gemeinsame Gefahr als Anlass, um an das Gemeinwohl zu appellieren. Eine gemeinsame Gefahr bedeutet für viele den richtigen Wecker des verschlafenen Gemeinwohles eines Volkes.

Ich bin dagegen. Aus mehreren Gründen.

Eine gemeinsame Gefahr verlangt in der Tat eine Zusammenarbeit, aber in dieser Zusammenarbeit fehlt das Element, das meiner Meinung nach unentbehrlich zum Gemeinwohle dazugehört: die Freiheit.

Dort wo es Not gibt, gibt es keine richtige Freiheit, die in Erscheinung treten könnte.

Das ist das Problem des „Leviathan“ von Hobbes. Die Menschen finden sich in einer Notlage: es herrscht der Krieg aller gegen alle. Um diese Situation überwinden zu können, brauchen die Menschen einen Vertrag in welchem sie auf ihre Rechte verzichten, damit sie aus dieser Situation rauskommen können. Aber kurz danach, als die Situation sich verbessert hat, möchte jeder dieser Menschen seine ursprünglichen Rechte wiederbekommen. So ist der Frieden in ständiger Gefahr. Deshalb wird die Sicherheit wichtiger in der Gesellschaft als die Freiheit. Das Strafrecht wird ein wichtiges Element der Gesellschaft werden, die Kontrolle über die Bevölkerung wird eine immer größere Rolle spielen.

Die Notwendigkeit, die Gefahr zu überwinden lässt außerdem kaum einen Raum, um einen Aufbau des Zusammenlebens zu ermöglichen.

Der Geist wird Kollektiv. Der Ton wird den Tönen eines „Om“ ähneln, nicht den Tönen einer Orchestra. Alle diese kollektiven Bewegungen, schreien nach verschiedenen möglichen Feinden - egal ob der Feind ein Meteorit oder ein Land ist.

 Wenn die Vertreter dieser Bewegungen Drohungen und Gefahren anklagen, sprechen sie ganz bestimmt, aber wenn sie über Lösungen reden, fallen sie immer in die „Freund/Feind“ Dialektik, war immer Krieg bedeutet.

Krieg und Gemeinwohl passen nicht zusammen.

Auch Glück und Gemeinwohl passen nicht zusammen. Das Glücksgefühl ist nicht nur ein extremes subjektives Konzept, sondern auch ein sehr vergänglicher Begriff. Deshalb bin ich auch nicht mit den utilitaristischen Positionen einverstanden.

Isabel Vinado Gascon.

Texte die zur Inspiration diesen Impuls wichtig gewesen sind:

 „Freiheit“, Kardinal Marx

„Die Demokratie in Amerika“, Tocqueville.

Und die „Freitags für Freiheit“ Bewegung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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