Sonntag, 2. Dezember 2012

PERSISCHE BRIEFE (1721) Charles Louis de Secondat. Baron de MONTESQUIEU


Die „Persischen Briefe“ von Montesquieu - ein Buch in Briefform geschrieben, dessen Ideen auch heute noch eine fundamentale Referenz für das Verständnis der Gegenwart anbieten; für eine Zeit wie die unsere, gekennzeichnet durch moralische Desorientierung und Wirtschaftskrise – auch wenn es heute schlecht angesehen ist, sich auf die „Moral“ zu beziehen und die Wirtschaftskrise auch eine ideologische und soziale Krise ist.

Auf jeden Fall hoffe ich, dass mein Blog zur Lektüre des Buches anregen wird. Montesquieu hat Zusammenfassungen von Büchern nicht geschätzt. Seiner Meinung nach bringen sie nichts Neues (Brief LXVI).

Das Buch fängt mit der Abreise des persischen Politikers Usbek an. Er flieht aus seinem Land unter dem Vorwand, dass er eine wissenschaftliche Reise ins Ausland unternehmen wolle. Im Brief VIII erklärt er seinem Freund Rustan die wirklichen Gründe: Seine Ehrlichkeit habe ihm Feinde geschaffen. Es sei nötig, sich von ihnen zu befreien und die Flucht zu ergreifen.

Während seiner Reise stellt Usbek  die Unterschiede zwischen den europäischen und den orientalischen Sitten fest. Eigentlich benutzt Montesquieu diese Feststellungen als Anlass, um Antworten auf zwei wesentliche Fragen zu geben: Wie bildet sich eine Gesellschaft heraus und welcher Grundlagen bedarf eine Gesellschaft um aufzublühen.

In Bezug auf ihre Enstehung existiert eine Gesellschaft – zumindest vom physischen Standpunkt aus gesehen - seitdem sich eine Familie vermehrt. In diesen Sinn unterscheidet sich Montesquieu von der Hobbesschen Theorie, wonach die Gesellschaft aus dem öffentlichen Recht enstehe.

In Bezug auf die Grundlagen einer blühenden Gesellschaft beweist Montesquieu in der Fabel der Troglodyten, dass alle Regierungsformen Demokratie, Monarchie oder Tyrannie fehlerhaft sind. Ihre Unzulänglickeit führt zum Sturz der Gesellschaften. Laut Montesquieu können Gesellschaften – ganz gleich welche Regierungsform sie besitzen - nur überleben, wenn sie Tugenden praktizieren.

Es ist nicht Montesquieus Absicht, eine ewige und unveränderliche Definition der Tugend aufzustellen. Toleranz, Gerechtigkeit, Freiheit, Bildung... alle diese Prinzipien erscheinen ohne irgendwelche religiöse Konnotationen. Ihre Bedeutung muss von einem praktischen und politischen Aspekt betrachtet werden.

Ohne Tugenden verfällt jede Gesellschaft. Nur mit ihnen können sich Gesellschaften halten und Fortschritte machen, weil sie die Vorausetzungen für Handel und Industrie in einer kommunikativen und friedliche Atmosphäre schaffen.

Damit fragt Montesquieu nicht nach unveränderlichen und absoluten Definitionen, sondern nach den nötigen Voraussetzungen, um eine Gesellschaft von Menschen für Menschen aufzubauen.

Die wichtigste Tugend ist die natürliche Tugend; also die Tugend, die den, der sie übt keine Mühe kostet, weil sie aus aus seiner inneren Natur stammt (Brief L). Wenn alle Bürger diese Tugend praktizierten, bräuchte eine Gesellschaft keine Regierung.

Prinzen und Gesetze sind dann nötig, wenn die innere und natürliche moralische Kraft der Bürgern schwächer geworden ist. Die Bürgern wollen lieber ihnen und ihren Normen als ihren eigenen Tugenden gehorchen; einfach weil solche äußeren Gesetze weniger rigide als ihre eigenen Sitten sind (Brief XIV).  Dann braucht man externe Mechanismen, die die Weitergeltung der Tugenden erhalten. Wie Montesquieu gezeigt hat kann keine Gesellschaft ohne sie sehr lange überleben. Jedenfalls betont Montesquieu, dass die innere Motivation wirksamer als jeder äußere Druck ist.

Im Brief XII behauptet Montesquieu, dass die Tugend den Gesetzen vorher gehe. Im Brief CXXIX schreibt er, dass sie über dem Gesetz stehe. Die Rechtfertigung dieser Aussagen liegt in der Tatsache begründet, dass die Gesetzgeber ihr Amt oft nicht wegen ihrer Fähigkeiten, sondern  auf Grund zufälliger Umstände erlangen. Außerdem sind ihre Gesetze häufig das Produkt ihrer Vorurteile und Einbildungen. Sie erschaffen kindische und nutzlose Institutionen, die allein für Kleingeister taugen. Vernünftige Köpfe aber halten nicht viel davon.

Trotz dieser Kritik erkennt Montesquieu, dass einige Normen für den Erhalt einer Gesellschaft lebensnotwendig sind: wie zum Beispiel diejenigen, die den Eltern Autorität über die Kindern bewilligen. Denn es sind die Eltern, die die Werte, die eine Gesellschaft am Leben hält, vermitteln.

Wenn Montesquieu über Tugenden spricht, dann betrachtet er drei wichtige Werte: Mildherzigkeit, Menschlichkeit und Respekt vor dem Gesetzes des Ortes, in den man lebt. (Brief CXXXIV). Solcher Gehorsam gegenüber dem Gesetz hat jedoch auch bestimmte Grenzen. Die „extravagance humaine“, eine unverantwortliche Regierung zu akzeptieren (Brief XL) und der Umstand, dass die Prinzen –und vor allem ihre Minister - der Versuchung der Korruption zu erliegen, stehen dem richtigen Ablauf einer Gesellschaft entgegen. Deshalb ist es nötig, dass die Amtsfunktionen unter der Kontrolle der Bürger stehen. Die Gehorsampflicht der Untertanen endet, wenn der Prinz versucht, den Untertanen zu schaden, statt sich um sie zu kümmern. Montesquieu stellt das englische Volk als Vorbild dar, weil es von diesem Kontrollrecht über die Regierung so häufig Gebrauch macht (Brief CIV).

Montesquieu versucht die für eine glückliche Gesellschaft notwendigen Voraussetzungen zu bestimmen.

Daraus kann man schließen, dass für Montesquieu der Begriff der Tugend einen mehr politischen als moralischen Charakter hat. Toleranz, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Erziehung bilden verschiedene Aspekte der Tugend, auf die Montesquieu sich bezieht.

1.      Freiheit mag auf den ersten Blick nicht sehr tugendhaft erscheinen. Jedoch ist sie in jedem Fall anständiger als Tyrannei. Die Tyrannei, die sich nach außen als sittlich und bescheiden zeigen mag, versteckt doch in ihrem Inneren nur Verderbnis und Betrug. Die Revolution ist sicher unausweichlich, weil die Sklaven früher oder später rebellieren werden; in den „Persische Briefen“ die Abwesenheit des Tyrannen ausnutzend. Die Anwendung der Gewalt durch den Staat wird immer nötiger, um den sozialen Frieden bewahren zu können, aber gleichzeitig wird sie auch immer unwirksamer. Die Sklaven sterben lieber als in Sklaverei weiter zu leben. Die Unfreiheit führt zur Täuschung und zur Rebellion. Das Gesellschaft zebricht als Folge der Revolte und des sozialen Chaos.

Machtmißbrauch ist stets gefährlich. Im Brief CXLVI sagt Montesquieu, dass die Minister, die den Prinzen täuschen und das Volk ruinieren, der Gesellschaft schaden. Nicht nur wegen ihrer egoistischen Ambitionen an sich, sondern vor allem, weil solche Sitten ansteckende schlechte Vorbilder sind.

Falsche Tugend kaschiert die egoistischen Wünsche eines Individuum oder einer Gruppe. Im letzten der „Persischen Briefe“ (Brief CLXI) wirft Roxane Usbek vor, dass er mit seinen ständigen Appellen an die Tugend nur anderen seine eigenen Leidenschaften, Überzeugung und Wünschen aufdrängen wolle. Das hat nichts mit wahrer Tugend zu tun. Sie beruht auf der Freiheit, Gleichheit und Toleranz, niemals auf Zwang. Ganz gleich um welche Tugend es sich handelt.

2.      Religiose Toleranz und Respekt vor anderen Ideen.

Intoleranz – auf religiöser, sozialer oder ökonomischer Ebene – schafft Ungleichheit in den Gesellschaften. Toleranz hat eine durchaus praktische Funktion. Die Tatsache, dass wir alles nach unseren eigenen Weltbildern beurteilen (Brief LIX) und dass jeder von uns dazu neigt, sich nur über seine eigenen Probleme zu beschweren (Brief CXXXII), verpflichtet uns, andere Archetypen und Probleme als die unseren zu akzeptieren.

Die Worte, die Montesquieu in Usbeks Mund über die Parsen legt, können auf die französischen Protestanten zur Zeit der Religionskriege angewendet werden. „Die Verfolgungen, die unsere mahometanischen Eifer gegen die Parsen durchgeführt haben, haben diese nach Indien vertrieben. Persien hat dieses fleißige Volk verloren. In der Tat, nur mit ihrer Arbeit konnten die Parsen unser Land fruchtbar machen“.

Montesquieu – wie dreißig Jahre später Voltaire in seinem Buch „Das Jahrhundert Ludwigs XIV“ – beklagt die schlimmen Konsequenzen der Vertreibung der französischen Protestanten für die französische Wirtschaft. Die königliche Edikte brachten nur unheilbringenden Folgen mit sich.

Sie waren fleißige und gut gebildete Minderheiten, die in der Lage waren, schwierige Lebensbedingungen zu ertragen. Nachdem sie ausgewandert waren, blieben die Ackerflächen, die sie bearbeitet hatten verlassen und öde.

Montesquieu behauptet, dass die Ursache von Religionskriegen nicht in der Vielheit der Religionen,  sondern in der Intoleranz zu finden sei. Intoleranz entsteht aus dem proselytistischem Wunsch, anderen Religionen zu beherrschen. Jede von ihnen fühlt sich im Besitz der Wahrheit. Das Entscheidende aber – so Montesquieu - sind nicht die Religionen, sondern die Religiosität. Deshalb sind die Zeremonien und die Förmlichkeiten nicht das Wesentliche, sondern die Anstrengungen, Gott zu gefallen. Im Brief CXXXIV hinterfragt Montesquieu die Vorteile der Interpretationen der Heiligen Schriften. Solche Werke enthalten nur die verschiedenen Meinungen der Interpreten.  Allerdings vernebeln sie wirkliches Verständnis.

Die Verteidigung der Toleranz von Montesquieu sowie von Voltaire ist heute immer noch unumgänglich für alle, die dieses Thema vertiefen möchten. Ihre Positionen lassen sich in zwei Grundgedanken ausdrücken: Erstens - Gott braucht keine Verteidiger. Zweitens - Intoleranz entsteht, wenn ein Mensch oder eine Gruppe sich als Besitzer einer unverifizierbaren Wahrheit sehen.

Montesquieu und Voltaire heben den nützlichen Einfluss religiöser Minderheiten auf ihre Mehrheitsgesellschaften hervor, weil sie durch ihre Arbeit und die Ausübung der Tugenden das soziale und wirtschaftliche Wohlergehen insgesamt steigern.

Die Grenzen der Toleranz liegen immer noch dort, wo sie Voltaire einst festgelegt hat: Die Toleranz endet dort, wo die Intoleranz anfängt.

Beide Tugend zusammen: Freiheit und Toleranz haben eine große praktische Relevanz in jeder Gesellschaft.

a)      Bewahrung des Friedens.

b)      Ermöglichung der Kommunikation.

c)      Entwicklung des Handel.

Friede entwickelt  den Handel. Gewaltätige Regierungsregime dagegen machen ihn unmöglich und lassen Gesellschaften verarmen (Brief XIX). Handel bedarf der Kommunikation und Geselligkeit. Mangel an Kommunikation führt zu einer Intensivierung protokolarischer Formalitäten und Riten, die Begegnungen erschweren (Brief XXXIV). Der Handelsverkehr entsteht aus der industriellen, landwirtschaftlichen sowie intelektuellen Produktion eines Landes. Kritisch sieht Montesquieu die Gewinnung von Edlemetallen. Er bedauert, wieviele Menschen ihr Leben in Gold- und Silberbergwerke opfern müssen, nur weil diese Metalle durch menschliche Konvention  wertvoll geworden sind (Brief CV).

Förderung der Künste: Montesquieu schätzt die Bedeutung der Kunst für einer Gesellschaft hoch ein. Dafür gibt es einige Gründe.

-          Die Kunst sublimiert die Liebe zum Ruhm

-          Die Kunst vermeidet Müßigang. Niemand, der sich für die Kunst und das Bücherstudium interessiert, bleibt untätig.

-          Kunst begünstigt die Bildung, die Montesquieu - ebenso wie andere Aufklärer - als eine wesentliche Aktivität sieht, die aus der rationalen Natur des Mensch selbst folgy. Dennoch ist den französischen Denkern bewußt, wieviel Anstrengung das Lernen kostet. Montesquieu betont die Wirkungskraft der Freundschaft in der Erziehung. Er hält es für ratsam, solche Gefühle zu zeigen, um die Anstrengungen der Erziehung abzumildern (Brief XV).

Die Entwicklung der Gesellschaft entsteht aus ihre inneren Tugenden; sie wird durch die Gesetze abgesichert, durch Freiheit, Gleichheit und Toleranz verteidigt und durch Handel und Künste angetrieben.

So wie die Tugend Wohlstand bringt Wohlstand Feinde mit sich. Es dauert nicht lange bis die Tugend mit Schwäche verwechselt wird. Feinde werden die wohlhabende Gesellschaft anzugreifen und zu erobern versuchen. Deshalb braucht die Gesellschaft zu ihrer Verteidigung Abwehrmechanismen. Montesquieu hält einen Krieg für gerechtig ist, wenn eine Gesellschaft oder ihr Bündnispartner angegriffen werden (Brief XCV).

3.      Im Hinblick auf die Gerechtigkeit präsentiert Montesquieu seine Kriterien im Brief LXXXIII. Der französische Autor erkennt, wie schwierig es für die Gerechtigkeit ist, die menschliche Leidenschaft zu überwinden. Ihm ist bewusst, dass die Ungerechtigkeit nie aus reiner Bosheit entsteht, sondern stets von Interessen geleitet wird. Es ist bemerkenswert, dass Montesquieu mit der Möglichkeit spielt, dass Gott nicht exisitiert. Im Gegensatz zu historisch späteren philosophischen Theorien, die behaupten „wenn es kein Gott gibt, ist alles erlaubt“, schlägt der aufgeklärte Montesquieu eine humanistische Ethik vor. Es sei nötig, die Billigkeit (equitas, equité) mit oder ohne Gott zu achten.

Die humanistische Ethik Montesquieus im Grunde die Antwort auf praktische Probleme. Keine Gesellschaft kann sich einen Grad der Unsicherheit erlauben, wo sich der Mensch nicht mehr unter Menschen, sondern wie gegenüber hungrigen Löwen fühlt.werden. Dort würde sich niemand mehr sicher fühlen. Nur dank der Billigkeit kann eine Gesellschaft überleben. Sonst wurden die ständige Angst, die Ehre und das Leben zu verlieren, sie zu zerstören.

Montesquieu erkennt am Ende des Briefe – trotz seiner vorherigen Überlegungen - Gottes Existenz an. Allerdings spricht er sich gegen das tyrannische Bild aus, das manche Theologen seiner Zeit von Gott zeichnen. Denn Montesquieu ist ja der Auffassung, dass die höchste Gerechtigkeit in der Billigkeit (equitas) liege.

4.      Chancengleichheit in der Gesellschaft: Gesellschaften zehren aus, wenn – wie Montesquieu sagt - die Sklaven nicht wirtschaftlich aufsteigen können und die Bediensteten keine Bildungsmöglichkeiten haben. Die gerechte Verteilung von Reichtum und Kultur fördert die Entwicklung einer Gesellschaft (Brief CXV).

In diesem Sinne wäre es nicht schlecht, wenn sich manche Länder mehr um die Bildung ihrer Bevölkerung kümmern würden, statt das Geld für extrem teure Rüstung auszugeben – die außerdem früher oder später benutzt werden wird, auch wenn nur deshalb, um ihren Preis zu rechtfertigen - , riesige Türme von Babel zu bauen und die Reichen noch reicher zu machen. All dies bringt nur Nachteile für eine Gesellschaft. Die Armen haben nichts und die Reichen fallen ungesunden Lebensweisen anheim, die maßloser Luxus mit sich bringt.

5.      Gleichstellung von Männern und Frauen: Aus orientalischer Perspektive liegt der Grund für die abgeschlossene Lebensform der Frauen in dem Umstand begründet, sie und ihre Tugenden vor der lasterhaften Außenwelt zu schützen.

Montesquieu beweist, dass dies nicht möglich ist, und außerdem nur Nachteile mit sich bringt. Die Anwendung externen Zwangs kann die Tugend nicht bewahren. Er ist davon überzeugt, dass es ein Irrtum ist, Frauen in Harems einzuschließen. Mögen die Laster der Freiheit an die Stelle der Laster der Knechtschaft treten. Mit dem Unterschied, dass die Freiheit die Tugend immerhin fördern kann, wohingegen die Knechtschaft sie stets verhindert.

Die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen wird im Brief XXXVIII behandelt. Nicht viele Menschen besäßen Sinn für Gerechtigkeit (Brief LXXXVI). Die meisten ließen sich durch die Sitten tyrannisieren, die eine Mehrheit diktiert hat; vor allem in Bezug auf den Anstand.

Bürger sind nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen. Beide Geschlechter zusammen gründen Familien und bilden Gesellschaften. Montesquieu ist überzeugt, dass die Frauen die Dominanz der Männer nur aus Liebenswürdigkeit toleriert haben. In Wirklichkeit ist diese Aussage überflüssig. Dem französischen Denker ist bewusst, wie wichtig der Rolle der Frau in der französische Gesellschaft und in der französische Regierung ist.

Im Brief CVII Montesquieu schreibt, dass sich einige Männer in Persien beschweren, weil es drei oder vier einflussreiche Frauen im Königsreich gint. Diese Situation sei mit Frankreich nicht vergleichbar. Dort teilten sich die Frauen untereinander die Macht bis ins kleinste Detail auf.

Montesquieu ist nicht der einzige, der solche Beobachtungen schildert. Andere Autoren wie Marivaux, Molière und Corneille zeigen die Unabhängigkeit und Freiheit der Frauen. Sie alle erkennen die Vorteile, die dies der Gesellschaft einbringt. Nach Montesquieus Meinung sollen die Frauen Freiheit nicht nur in der öffentlichen, sondern auch in der privaten Sphäre genießen.

Der französische Autor verteidigt, dass die Frauen entscheiden durfen, wann und wen sie heiraten und wann sie sich scheiden lassen wollen. Eifersüchtige Ehemänner seien in Frankreich schlecht angesehen. Usbek erzählt, dass sie sogar Ziel des Hasses seien. Selten erleidet der Ehemann, der die Seitensprünge seiner Frau toleriert, Nachteile. Ganz im Gegenteil: Man lobt seineVernunft (prudence). Allerdings: Wenn eine Frau sich nicht an ihr Liebesversprechen hält, muss der Mann auch nicht die seinen respektieren.(Brief LV)

Montesquieu sagt wiederholt, dass die höchste Tugend nicht die sexuelle Enthaltsamkeit sei. Die Wahl des Partners bzw. seine Ablehnung müsse frei und ohne Hindernisse getroffen werden. Oft werde die Tugend mit veralteten Sitten verwechselt. Die soziale Übereinkunft müsse auch als solche behandeln werden. Sie dürfe nicht dazu benutzt werden, die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu verhindern, noch moralischen Haltungen zu rechtfertigen, die von der Tyrannei der Tradition, der Religion oder der Starkëre diktiert wurden.

Um diese Situation zu vermeiden, unterscheidet Montesquieu zwischen privaten und öffentliche Tugenden. Dies wird in in seinem Werk „Vom Geist der Gesetze“ (1748) deutlich. Dort stellt Montesquieu klar, dass sein Begriff der Tugend weder moralisch noch christlich, sondern öffentlich sei.

6.      Förderung der Geburtenrate. Montesquieu akzeptiert die Scheidung (Brief CXVI). In Bezug Abtreibung (Brief CXX) und Zölibat (Brief XXXVII) ist seine Haltung dagegen eine ganz andere. Der Grund dafür ist, dass beides die Fortpflanzung der Menschen verhindern.

Für den französische Schrifsteller bedeutet die Erhöhung der Geburtenrate eine der wichtigste Herausförderung einer Gesellschaft. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weswegen er die Jungfräulichkeit der Frau für überflüssig hält. Dass eine Mehrheit sie als wertvoll betrachtet, überrasche indes nicht – sagt Montesquieu. Seiner Meinung nach gibt nämlich kaum gerechte Geister, sondern unendlich viele Kleingeister.

Freiheit und Gleichheit begünstigen das Bevölkerungswachstum (Brief LXXII).

7.      Ruhmesliebe. Sie darf nicht mit Ehrgefühl verwechselt werden. Letztere führe zu nutzlosen Duellen. Montesquieu gesteht der Ruhmesliebe eine unentberliche Rolle zu (Brief LXXXIX). Jedoch findet er es lächerlich, Ehre einzufordern (Brief XC).

Montesquieu legt die notwendigen Werte dar, die eine Gesellschaft braucht. Dabei verbirgt er jedoch nicht seinen Pessimismus über die menschliche Natur. Nach Montesquieus Ansicht sind es gerade die durschnittlichen Menschen, die Erfolg haben.

Die intelligenten und geistigen Menschen dagegen seien immer unbequem. Sie haben enge Freundschaftskreise und vermeiden die Masse. Sie kritisieren ständig die Gesellschaft, in der sie leben, weil sie bemerken, was für andere unbeachtet bleibt. Sie schenken den Einzelheiten, von denen der Erfolg in der Gesellschaft anghängt, kaum Aufmerksamkeit.

Die weisen Menschen sind in einer noch schlechteren Position als die geistige Menschen. Oft werden sie all ihre Güter beraubt, aus der Gesellschaft verbannt und wegen Hexerei verurteilt (Brief XLV).

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Montesquieu könnte als feministicher Denker bezeichnet werden. Das Thema der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau interessiert ihn sehr.

Montesquieu lehnt es ab, dass Frauen eingesperrt leben sollen, um ihre Tugenden zu beschützen. Das führe die diesem Schiksal Unterworfenen dazu, die Täuschung zu praktizieren. Die Lüge verhindert jede mögliche Art von Kommunikation und korrumpiert letztlich das soziale Überleben.

Montesquieu ist davon überzeugt, dass die sexuelle Enthaltsamkeit und die Treue zum Bereich der Moral und Religion gehören. Deshalb seien sie private Angelegenheiten, die das öffentliche Leben nicht berühren dürfen.

Niemand habe das Recht, sich in die außerehelichen Beziehungen einzumischen. Noch nicht einmal die betrogenen Ehemänner und Ehefrauen.

Ich muss zugeben, dass ich in diesem Punkt mit dem französische Denker in keiner Weise übereinstimme. Die Tugenden können nicht in private Tugenden und öffentliche Tugenden unterschieden werden. Auch dürfen sie nicht in zwei Sphären – eine private und eine öffentliche- differenziert werden. Die Tatsache, dass die Tugend von diesen Adjektiven begleitet wird, bricht ihre Einheit nicht auseinander. Genauso wenig wie eine Frau sich verändert, wenn sie mit der Eheschließung den Nachname ihres Mannes annimmt.

Montesquieu selbst erkennt das in seinem Buch „Vom Geist der Gesetzte“ an, wenn er schreibt, dass „die moralischen und christlichen Tugenden nicht aus der Monarchie ausgeschlossen sind, genauso wenig wie die politische Tugend. In einem Wort: Auch wenn die politische Tugend die Republik antreibt, ist doch die Ehre ebenfalls in ihr enthalten. In gleicher Weise gilt: Auch wenn die Ehre die Triebfeder der Monarchie ist, ist zugleich die politische Tugend in ihr enthalten.“ Trotzdem kehrt Montesquieu wieder zu seiner Unterscheidung zwischen politischen und privaten Tugenden zurück, indem behauptet, dass der gute Mensch nicht der christliche Mensch, sondern der öffentliche sei.

In den „Persischen Briefe‘ akzeptiert Montesquieu, dass die private und öffentliche Sphäre nicht radikal getrennt sein können. So sei die elterliche Autorität essentiel für die Kindererziehung. Da die elterliche Autorität zu Hause ausgeübt werde  –das heißt im privaten Bereich – ist es nötig, dass die Eltern allgemeine Tugenden ohne Adjektive haben. Nur so können sie ihren Kindern die Tugenden richtig weiter vermitteln. Anderenfalls werden die Kinder nur die Unstimmigkeit der Doppelmoral erben. Erstaunlich finde ich die Anstrengungen der aktuellen Gesellschaft, ihre Jugend glauben zu machen, dass die Eltern die schlimmsten Feinde ihrer Kinder sind.  Nur wenn die Eltern ihnen alles erlauben, sind sie gute Eltern. Was als strategisches Marketing der Filmindustrie angefangen hat, ist eine akzeptierte Wahrheit geworden. Die Eltern sind ratlos. Die schlechten pendeln zwischen unverantworlicher Freizügigkeit und (physischer oder psychischer) Misshandlung. Die guten Eltern quälen tiefe Zweifel an ihren erzierischen Fähigkeiten.

Ich habe den Eindruck, dass die Unterscheidung in private und öffentliche Tugenden zunächst als Damm gegen soziale Vorurteile und religiöse Tyrannei dienen wollte. Am Ende aber hat sie zwei schädliche Effekte verursacht. Ein Effekte war die Verbreitung der Doppelmoral. Der andere ist die naive Glaube, dass die private Zügellosigkeit nicht den öffentlichen Tugenden schade.

Ehrlich gesagt ist es für mich schwer zu verstehen wie ein Mann (Frau), der (die) nicht seinen (ihren) Ehevertrag respektiert einen anderen Vertrag – ganz gleich welcher Art - respektieren kann. Wie kann ein Man (Frau), der (die) auf seine (ihre) privaten Tugenden nicht achtet, auf die öffentlichen Tugenden achten? Meiner Meinung nach geht Montesquieu zu weit. Er bleibt nicht bei der vernünftigen Verteidigung der Ehescheidung. Er sieht sogar die Seitensprünge der jeweiligen Ehepartner als zulässig an. Ich habe meine Zweifel, dass außereheliche Affären die ehelichen Beziehungen nicht beeinträchtigen. Es sei denn, dass die Ehe bloß auf Interessen beruht.

Es ist nicht meine Absicht, den Rückzug  der Frauen in ein Kloster oder den Schleier für ihre Köpfe zu beanspruchen – selbst wenn sie bereit wären, die eine oder  die andere Variante freiwillig zu unternehmen.

Eine Sache ist es, dass Menschen sich mehrmals in ihrem Leben verlieben, etwas anderes ist aber die Leichtsinnigkeit und Frivolität, mit der die Liebesbeziehungen heutzutage behandelt werden. Bis zu dem Grade, dass wir ohne jede Scham die Vereinigung der Körper vor die Vereinigung der Seelen setzen. Ah! Entschuldigung. Ich hatte vergessen, dass wir keine Seele haben.

Aber haben wir nicht immer noch ein Gehirn? Deshalb fehlt es sehr schwer zu erklären, warum so viele Beziehungen erst körperliche und erst darauf  – wenn überhaupt – geistige sind. Das ist genauso unverständlich wie die Tatsache, dass es viele Menschen gibt, die Alkohol und Drogen brauchen, um Spaß zu haben. Öffentsichtlich sind sie nicht in der Lage, allein mit ihre Intelligenz –ohne äußerliche Hilfe - eine Party zu genießen.

Im Fall der Frauen sind die Konsequenzen der Leichtsinnigkeit noch graviender, weil sie die Mütter der zukünftigen Bürgern sein werden.

Es ist wichtig, dass sie sich um ihre geistige und körperliche Gesundheit kümmern. Das solche Ideen durch Faschismen missbraucht worden sind, beraubt sie nicht ihrer Gültigkeit. Auch nicht die Tatsache, dass die Hellenische und Römische Kultur durch den italienischen Faschismus entweihen worden sind, mindert nicht ihren Wert.

Niemand leugnet, dass die Situation unter der die Frauen früher gelitten haben, unerträglich war. Falls sie nicht ihre Jungfraulichkeit vor der Ehe bewahren hatten oder alleinerziehende Mütter waren , oder sie ihren Mann aus dem einfache Grund, dass sie ihn nicht mehr ertragen konnten, verlassen hatten,  wurde sie sofort aus ihrer Familie und ihrem Dorf verbannt. Sie war allein auf ihr Glück angwiesen. Und wir alle wissen, welches Glück auf sie wartete.

Aber man muss auch akzeptieren, dass die Vorbilder für Frauen, die die heutige Medien anbieten,  sozial und familiäre Ungleichgewichte verursacht.

Man nimmt mit Gleichgültigkeit hin, dass eine verheiratete Frau mit Kindern ein erotisch-pornographisches Video von sich selbst aufnimmt und weiter an andere Personen leitet. Die  Empörung kommt nur, wenn ein solches Video eine großere Verbreitung als die gewünschte erreicht. Die Teilnehmer im  Wettbewerb „Big Brother“ lassen den Eindruck erwecken, dass es zur Normalität gehört, sich vor laufender Kamera im Bett zu küssen. Dass jede und jeder von ihnen einen Partner  (eine Partnerin) außerhalb der Filmkulisse hat, ist irrelevant. Wichtig ist allein, dass die freizügigen Protagonisten – wenn auch nur für kurze Zeit – eine gewisse Berühmtheit erlangen und die Einschaltquote der Sendung so hoch wie möglich steigt.  Es wird gelassen hingenommen, dass  einander unbekannte Personen untereiander ihre intimsten Probleme in den Medien vor den Augen der Öffentlichkeit ausbreiten. Schließlich ist es bekannt, dass die Gefühle heute so sind und morgen wieder anders. Es ist deshalb einerlei, was man heute sagt. Morgen wird sowieso alles anders sein.

Ich vermute, dass sich auf diesem Weg die Sitten der orientalischen Frauen oder der extremistischen religiösen Gruppen schneller als gedacht durchsetzen werden. Ich vermute, dass Montesquieu die sozialen Vorurteile, die die Freiheit der Frau verhinderte, brechen wollte. Trotzdem ist es zweifelhaft, dass er mit der heutigen Situation einverstanden wäre. Einerseits beteiligen sich die Bürger immer seltener in politischen Angelegenheiten. Anderseits fühlen die Bürger immer weniger Scham, ihre Intimität in der öffentliche Sphäre zu zeigen. Die Konsequenzen haben nicht lange auf sich warten lassen. Die ernsteste und  schwerwiegendste ist die Zerstörung der Familie, Grund jeder Gesellschaft in Montesquieuschen Philosophie.

Es ist Zeit, dass wir einige Prämisse betrachten.

a)      Die Zugehörigkeit der Menschen zur Welt der Natur verwandelt sie nicht in irgendwelche Tiere (Tiger und Löwen kämen nicht auf die Idee sich wie ein Wurm zu verhalten).

b)      Der Mensch ist Leib und Seele oder wenigstens Leib und Gehirn. Wie die Römer schon sagten: „mens sana in corpore sano“. Viele glauben, dass nur weil sie jeden Tag Sport treiben und sich mit Gemüse und Obst ernähren (ökologisch, wenn es geht) alles korrekt gemacht haben. Sie vergessen dagegen gerne das Thema des Alkohols und der Droge - oft mit der relativierenden Ausrede, dass man ja auch nicht übertreiben müsse. Es gehe ja nicht darum  –sagen sie - wie Nonnen oder Mönche zu leben.

c)      Es ist wahr, dass Frauen und Männer zusammen die Gesellschaft bilden, aber diejenigen, die die Jungen erziehen – ganz gleich, ob man dies so will - sind immer noch hauptsächlich die Frauen. Die Erziehung, die die Frauen bekommen, wird daher die Richtung einer Gesellschaft bestimmen.

Ehrlich gesagt glaube ich, dass die Fernsehserien, die aus den Vereinigten Staaten zu uns kommen keine der oben genannten Prämisen erfüllen. Die Vorbilder, die sie darstellen, sind für junge und noch nicht ausgebildete Charaktere nicht angemessen. Statt sie zu erziehen, verderben sie sie.  Säkulare Eltern können ihre Kindern nicht retten, weil sie keine moralische Autorität mehr besitzen; ultrareligiöse Eltern sind - wie gewöhnlich - in ihren eigenen ideologischen Ghettos eingeschlossen.

Die Wirklichkeit ist schmerzhaft. Außer in den für die heutige  Jugendliche vorsintflutlichen Serien: „Unsere kleine Farm“ und „Remington Steele“  kenne ich keine andere Fersehenserie, in der die Frauen ein Vorbild für die jugendlichen Zuschauerinnen sein könnte. Wenn wir allerdings überlegen, dass „Unsere kleine Farm“ das Dorfleben im Amerika des 19. Jahrhunderts erzählt, und dass in „Remington Steele“  die Chefin der Detektivagentur einen Strohmann als Chef einstellen muss, weil sie als Frau sonst keine Aufträge bekommt, müssen wir zugeben, dass diesen Serien ihrern Zuschauerinnen auch nicht gerade ein viel versprechend Panorama bieten. Entweder müssen sie in vergangene Zeiten zurückfliehen oder sie müssen ihre Intelligenz hinter der männlichen Schulter verstecken.

Die andeen Serien zeigen eine noch trostlosere Perspektive. Einige stellen süße und stets verständnisvolle Frauen dar. Sie kümmern sich um den Haushalt. Sie backen leckere Kuchen für ihre Männer und immer, wenn sie sich mit ihnen unterhalten, benutzen sie den Humor, um zu beweisen, dass ihre Männer dümmer als sie sind (in den 70 Jahre zum Beispiel „Verhext“). Anderen Serien greifen auf  manichäistische Muster zurück. Sie übersetzen  die alte Unterscheidung „brave Mädchen/unanständige Mädchen“ in eine neue Variante:  „vernünftigen Mädchen / Party girls“.

Die Unterschied zu den alten Zeiten liegt darin, dass früher die braven Mädchen hoch geschätzt waren. Heutzutage erscheinen sie dagegen als langweilig und naiv. Sie sind die großen Verliererinnen geworden. Ihre Gutmütigkeit schleppt sie in die  Depression, Einsamkeit oder den finanziellen Ruin. Sie bleiben allein mit ihren altmödischen Werte  – oder müssen die einengen de Gesellschaft einer religiösen Gruppe suchen.

Allem Anschein nach denken viele, dass wenn es keinen Gott auch keine Prinzipien mehr gibt. „Wozu nur?“ –fragen sie erstaunt.

Es gab Versuche, die brave Mädchen zu retten. Ein paar Serien wendeten folgenden Plot an: Arroganter Schnösel mit leerem Kopfe, die nur auf sein „Image“ bedacht ist, wird durch das brave Mädchen überwunden.

Die traurige Wahrheit ist allerdings, dass das Marketing-Imperium die Vorherrschaft der „party girls“ abgesichert hat. Derzeit werden sie nur durch die „It-girls“ übertroffen. Letztere haben kein Problem damit, ein bloßes – und perfektes - Objekt zu werden. Sie erscheinen in der Öffentlichkeit meisterhaft gekleidet – oder entkleidet. Sie werden in Serien und Reality Shows, wie Gossip Girl, Jersey Shore, Gandia Shore oder sogar Big Brother poträtiert.

Die „it-girls“ verhalten sie sich wie in Zellophanpapier verpackte Fleischstücke. Statt ihre sinnlichen Instinkte als „sinnliche Instinkte“ zu benennen, bezeichnen sie sie als „ihren eigenen Lebensstil“. Komisch eigentlich. Sie alle sind Klone: Sie bewegen sich auf die gleiche Weise; sie benutzen die selben Farben und Marken, um sich zu schminken; sie gehen in die selben Läden zum shoppimg und sie verwenden die selben Redewendungen. Trotzdem haben sie die Fähigkeit zu behaupten –ohne mit der künstlichen Augenwimper zu zucken – wohl damit sie nicht herausfällt –, dass sie „einen eigenen Lebensstil“ - vor allem „eigenen“ - haben. Es ist besser, wenn wir das Wort „Lebensstil“ übersehen. Glauben Sie mir: Wir ersparen uns schreckliche Kopfschmerzen.

Es ist mir bewußt, dass es unter solchen Umstände sinnlos ist, an die Selbstverantwortung oder das „Sapere Aude“ zu appellieren. Warscheinlich ist es auch schwierig zu erklären, dass es auch eine Freude geben kann, die nicht aus dem Konsum enspringt, oder dass die Ehe eine spannende Herausforderung ist, weil sie eine Gütergemeinschaft ist, in der sinnliche Liebe und seelische Affinität zugleich vorkommen. Deshalb spielt die Treue eine so wichtige Rolle. In der Ehe dürfen die Gefühle nicht kapriziös werden, da sie der Entwicklung eines gemeinsames Projekt dienen. Es muss in der Tat  nicht nur ein gemeinsames, sondern auch ein freiwilliges Projekt sein. Aber wie in jedem Projekt muss der Glaube an den Erfolg dieses Projekt existieren, der Wille, das Projekt zu realisieren und die vernünftige Analyse, dass es möglich ist,  dies zu schaffen.  Die Ehe beruht indes auch auf Gefühlen; und wenn diese nicht mehr existieren, dann verblasst das Projekt. Deshalb finde ich es so zynisch wie falsch zu behaupten, dass das  private Verhalten keine politischen Konsequenzen für die Entwicklung und Förderung einer Gesellschaft verursache. Wenn jemand heutzutage in der Öffentlichkeit behaupten würde, was ich gerade gesagt habe, würde er als lächerliche Figur angesehen werden. Die Zuhörer wurden nicht wissen, ob er extrem religiös oder einfach ein Spinner wäre. Montesquieue fand trotz allem in der Familie den Grund und die Stütze der Gesellschaft.

Keine der alten Hexen und Nonnen hätte wohl je geglaubt, dass die Befreiung der Frau und die Liberalisierung der Gesellschaft bloßen Hedonismus mit sich bringen würde.

Wenn das größte Erstaunen des Westens sich daran fest macht, dass viele islamische Frauen ihre Körper freiwillig verhüllen, selbst wenn sie berufstätig sind und sogar verantwortungsvolle Stellen besetzen, ist das größtee Erstaunen des Ostens, dass viele westliche Frauen ihre Energien darauf verwenden, ihre Kater zu behandeln und die Männer statt die Macht zu erobern.

Ist die Zerstörung der Frau und der Mutter das Produkt der Dekadenz oder der Freiheit? Sagen sie mir bitte nicht das Freiheit Dekadenz mit sich bringt. Dies würde ich niemals akzeptieren. Montesquieu hat  die Unrichtigkeit einer solche Behauptung hinreichend gezeigt und begründet. Ist die gegenwärtige Frau vielleicht wie die Frau im alten Rom, die, sobald sie die ökonomische Unabhängigkeit erreicht hatte, kaum noch Kinder bekommen hat? Haben wir es vielleicht mit einer Verschwörungstheorie zu tun, von der  meine Freundin Carlota (siehe meinen Blog „Die Welt und ich – eine Reflexion über Verschwörundtheorien“) gesprochen hat, nach der die Gesellschaft keinen Nachwuchs mehr bekommen soll? Muss man die Frauen eingesperrt halten, damit sie lernen, Person zu sein, statt eine nur „party-girl“, das sich nur für Champagner, Kaviar und Nagellack interessiert? Ist das vielleicht die wahre Natur der Frau?

Weiß jemand, wo die alten Hexen und Nonnen sind? Jene ungehorsamen Frauen, die sich über die Männer lustig gemacht haben , sich verweigert haben, Mütter zu sein, weil sie sich lieber den Büchern und dem Studium widmen wollten?  Wo sind jene Frauen geblieben, die ihren Weiblichkeit eingesetzt haben, um Macht zu erreichen, statt die „Celebrity“ des Dorfes oder die Unterhaltung der Masse zu werden?  Warum wollen die jungen Mädchen „party-it girls“ statt „Madame Curie“ sein? Warum machen die Medien mit?

Ich hoffe, dass diese emotionale Verwirrung, an der die Frauen  derzeit leiden, nicht denen als Vorwand  dient, die die Frau in Unbildung und Aberglaube fesseln wollen.

Ich weiß, dass einige von Ihnen jetzt denken werden, dass die „Persische Briefe“ politische und juristiche Themen behandeln, die weitreichender als die Frauenproblematik sind. Aber was wollen Sie? La cabra tira al monte. Ich kämpfe dagegen, dass weder die andere Frauen noch ich unseren Leben in einem Harem – wie tugendhaft und luxuriös er auch sein mag - enden.

Einige Male habe ich den Verdacht gehabt, dass jemand die Frauen auf die selbe Insel verbannt hat, auf die auch Pinocho gebracht wurde. Zuerst bekommt man alle Süßigkeiten und dann... Es stört mich ungeheuer, dass Montesquieu  - als Mann – nur das als private Tugend betrachtet, was in den Schlafzimmern geschieht.

Haben sie es bemerkt? Die Prediger hören nicht auf, darüber zu reden, dass die Unterdrückung der sinnlichen Instinkte die einzige Tugend wäre. Dem widerspreche ich vehement. Aber auch die Philosophen unterdrücken die sinnlichen Instinkte, soweit sie behaupten, dass sie für die öffentliche Gesellschaft keine Rolle spielen und sie damit ”privatisieren“. Ich bin dagegen überzeugt davon, dass die privaten Geschehnisse unserer Schlafzimmer sehr wohl Konsequenzen für die öffentliche Verfasstheit unserer Gesellschaft haben.

Warum predigen die einen die Unterdrückung der sinnlichen Instinkte und die anderen deren Privatisierung,  frage ich mich. Wahrscheinlich, weil beide – Prediger und Philosphen - auch „nur“ Männer sind. Die einen dürfen nicht und die anderen wollen ohne schlechtes Gewissen.

„C’est en cherchant à instruire les hommes, que l’on peut pratiquer cette vertu générale qui comprend l’amour de tous. L’homme, cet être flexible, se pliant, dans la société, aux pensées et aux impressions des autres, est également capable de connaître sa propre nature lorsqu’on la lui montre et d’en perdre jusqu’au sentiment lorsqu’on la lui dérobe. »

 

Bis zur nächsten Woche !

Isabel Viñado Gascón


 

 

 

 

 

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