Die „Persischen Briefe“
von Montesquieu - ein Buch in Briefform geschrieben, dessen Ideen auch heute
noch eine fundamentale Referenz für das Verständnis der Gegenwart anbieten; für
eine Zeit wie die unsere, gekennzeichnet durch moralische Desorientierung und Wirtschaftskrise
– auch wenn es heute schlecht angesehen ist, sich auf die „Moral“ zu beziehen
und die Wirtschaftskrise auch eine ideologische und soziale Krise ist.
Auf jeden Fall hoffe
ich, dass mein Blog zur Lektüre des Buches anregen wird. Montesquieu hat
Zusammenfassungen von Büchern nicht geschätzt. Seiner Meinung nach bringen sie
nichts Neues (Brief LXVI).
Das Buch fängt mit der
Abreise des persischen Politikers Usbek an. Er flieht aus seinem Land unter dem
Vorwand, dass er eine wissenschaftliche Reise ins Ausland unternehmen wolle. Im
Brief VIII erklärt er seinem Freund Rustan die wirklichen Gründe: Seine Ehrlichkeit
habe ihm Feinde geschaffen. Es sei nötig, sich von ihnen zu befreien und die
Flucht zu ergreifen.
Während seiner Reise
stellt Usbek die Unterschiede zwischen
den europäischen und den orientalischen Sitten fest. Eigentlich benutzt Montesquieu
diese Feststellungen als Anlass, um Antworten auf zwei wesentliche Fragen zu
geben: Wie bildet sich eine Gesellschaft
heraus und welcher Grundlagen bedarf
eine Gesellschaft um aufzublühen.
In
Bezug auf ihre Enstehung existiert eine Gesellschaft –
zumindest vom physischen Standpunkt aus gesehen - seitdem sich eine Familie vermehrt.
In diesen Sinn unterscheidet sich Montesquieu von der Hobbesschen Theorie,
wonach die Gesellschaft aus dem öffentlichen Recht enstehe.
In
Bezug auf die Grundlagen einer blühenden Gesellschaft
beweist Montesquieu in der Fabel der Troglodyten, dass alle Regierungsformen
Demokratie, Monarchie oder Tyrannie fehlerhaft sind. Ihre Unzulänglickeit führt
zum Sturz der Gesellschaften. Laut Montesquieu können Gesellschaften – ganz
gleich welche Regierungsform sie besitzen - nur überleben, wenn sie Tugenden
praktizieren.
Es ist nicht
Montesquieus Absicht, eine ewige und unveränderliche Definition der Tugend aufzustellen.
Toleranz, Gerechtigkeit, Freiheit, Bildung... alle diese Prinzipien erscheinen ohne
irgendwelche religiöse Konnotationen. Ihre Bedeutung muss von einem praktischen
und politischen Aspekt betrachtet werden.
Ohne Tugenden verfällt jede
Gesellschaft. Nur mit ihnen können sich Gesellschaften halten und Fortschritte
machen, weil sie die Vorausetzungen für Handel und Industrie in einer
kommunikativen und friedliche Atmosphäre schaffen.
Damit fragt Montesquieu
nicht nach unveränderlichen und absoluten Definitionen, sondern nach den
nötigen Voraussetzungen, um eine Gesellschaft von Menschen für Menschen
aufzubauen.
Die wichtigste Tugend
ist die natürliche Tugend; also die Tugend, die den, der sie übt keine Mühe
kostet, weil sie aus aus seiner inneren Natur stammt (Brief L). Wenn alle Bürger
diese Tugend praktizierten, bräuchte eine Gesellschaft keine Regierung.
Prinzen und Gesetze
sind dann nötig, wenn die innere und natürliche moralische Kraft der Bürgern
schwächer geworden ist. Die Bürgern wollen lieber ihnen und ihren Normen als
ihren eigenen Tugenden gehorchen; einfach weil solche äußeren Gesetze weniger
rigide als ihre eigenen Sitten sind (Brief XIV). Dann braucht man externe Mechanismen, die die
Weitergeltung der Tugenden erhalten. Wie Montesquieu gezeigt hat kann keine
Gesellschaft ohne sie sehr lange überleben. Jedenfalls betont Montesquieu, dass
die innere Motivation wirksamer als jeder äußere Druck ist.
Im Brief XII behauptet
Montesquieu, dass die Tugend den Gesetzen vorher gehe. Im Brief CXXIX schreibt
er, dass sie über dem Gesetz stehe. Die Rechtfertigung dieser Aussagen liegt in
der Tatsache begründet, dass die Gesetzgeber ihr Amt oft nicht wegen ihrer Fähigkeiten,
sondern auf Grund zufälliger Umstände
erlangen. Außerdem sind ihre Gesetze häufig das Produkt ihrer Vorurteile und
Einbildungen. Sie erschaffen kindische und nutzlose Institutionen, die allein für
Kleingeister taugen. Vernünftige Köpfe aber halten nicht viel davon.
Trotz dieser Kritik
erkennt Montesquieu, dass einige Normen für den Erhalt einer Gesellschaft
lebensnotwendig sind: wie zum Beispiel diejenigen, die den Eltern Autorität über
die Kindern bewilligen. Denn es sind die Eltern, die die Werte, die eine
Gesellschaft am Leben hält, vermitteln.
Wenn Montesquieu über
Tugenden spricht, dann betrachtet er drei wichtige Werte: Mildherzigkeit, Menschlichkeit
und Respekt vor dem Gesetzes des Ortes, in den man lebt. (Brief CXXXIV).
Solcher Gehorsam gegenüber dem Gesetz hat jedoch auch bestimmte Grenzen. Die
„extravagance humaine“, eine unverantwortliche Regierung zu akzeptieren (Brief
XL) und der Umstand, dass die Prinzen –und vor allem ihre Minister - der Versuchung
der Korruption zu erliegen, stehen dem richtigen Ablauf einer Gesellschaft
entgegen. Deshalb ist es nötig, dass die Amtsfunktionen unter der Kontrolle der
Bürger stehen. Die Gehorsampflicht der Untertanen endet, wenn der Prinz
versucht, den Untertanen zu schaden, statt sich um sie zu kümmern. Montesquieu
stellt das englische Volk als Vorbild dar, weil es von diesem Kontrollrecht über
die Regierung so häufig Gebrauch macht (Brief CIV).
Montesquieu versucht
die für eine glückliche Gesellschaft notwendigen Voraussetzungen zu bestimmen.
Daraus kann man
schließen, dass für Montesquieu der Begriff der Tugend einen mehr politischen
als moralischen Charakter hat. Toleranz, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit
und Erziehung bilden verschiedene Aspekte der Tugend, auf die Montesquieu sich
bezieht.
1.
Freiheit
mag auf den ersten Blick nicht sehr tugendhaft erscheinen. Jedoch ist sie in
jedem Fall anständiger als Tyrannei. Die
Tyrannei, die sich nach außen als sittlich und bescheiden zeigen mag,
versteckt doch in ihrem Inneren nur Verderbnis und Betrug. Die Revolution ist
sicher unausweichlich, weil die Sklaven früher oder später rebellieren werden;
in den „Persische Briefen“ die Abwesenheit des Tyrannen ausnutzend. Die
Anwendung der Gewalt durch den Staat wird immer nötiger, um den sozialen Frieden
bewahren zu können, aber gleichzeitig wird sie auch immer unwirksamer. Die Sklaven
sterben lieber als in Sklaverei weiter zu leben. Die Unfreiheit führt zur
Täuschung und zur Rebellion. Das Gesellschaft zebricht als Folge der Revolte
und des sozialen Chaos.
Machtmißbrauch
ist
stets gefährlich. Im Brief CXLVI sagt Montesquieu, dass die Minister, die den
Prinzen täuschen und das Volk ruinieren, der Gesellschaft schaden. Nicht nur
wegen ihrer egoistischen Ambitionen an sich, sondern vor allem, weil solche
Sitten ansteckende schlechte Vorbilder sind.
Falsche
Tugend kaschiert die egoistischen Wünsche eines Individuum
oder einer Gruppe. Im letzten der „Persischen Briefe“ (Brief CLXI) wirft Roxane
Usbek vor, dass er mit seinen ständigen Appellen an die Tugend nur anderen seine
eigenen Leidenschaften, Überzeugung und Wünschen aufdrängen wolle. Das hat
nichts mit wahrer Tugend zu tun. Sie beruht auf der Freiheit, Gleichheit und Toleranz,
niemals auf Zwang. Ganz gleich um welche Tugend es sich handelt.
2.
Religiose
Toleranz und Respekt vor anderen Ideen.
Intoleranz
– auf religiöser, sozialer oder ökonomischer Ebene – schafft Ungleichheit in
den Gesellschaften. Toleranz hat eine durchaus praktische Funktion. Die
Tatsache, dass wir alles nach unseren eigenen Weltbildern beurteilen (Brief
LIX) und dass jeder von uns dazu neigt, sich nur über seine eigenen Probleme zu
beschweren (Brief CXXXII), verpflichtet uns, andere Archetypen und Probleme als
die unseren zu akzeptieren.
Die Worte, die
Montesquieu in Usbeks Mund über die Parsen legt, können auf die französischen
Protestanten zur Zeit der Religionskriege angewendet werden. „Die Verfolgungen,
die unsere mahometanischen Eifer gegen die Parsen durchgeführt haben, haben
diese nach Indien vertrieben. Persien hat dieses fleißige Volk verloren. In der
Tat, nur mit ihrer Arbeit konnten die Parsen unser Land fruchtbar machen“.
Montesquieu – wie dreißig
Jahre später Voltaire in seinem Buch „Das Jahrhundert Ludwigs XIV“ – beklagt die
schlimmen Konsequenzen der Vertreibung der französischen Protestanten für die
französische Wirtschaft. Die königliche Edikte brachten nur unheilbringenden
Folgen mit sich.
Sie waren fleißige und
gut gebildete Minderheiten, die in der Lage waren, schwierige Lebensbedingungen
zu ertragen. Nachdem sie ausgewandert waren, blieben die Ackerflächen, die sie
bearbeitet hatten verlassen und öde.
Montesquieu behauptet,
dass die Ursache von Religionskriegen nicht in der Vielheit der Religionen, sondern in der Intoleranz zu finden sei. Intoleranz
entsteht aus dem proselytistischem Wunsch, anderen Religionen zu beherrschen.
Jede von ihnen fühlt sich im Besitz der Wahrheit. Das Entscheidende aber – so
Montesquieu - sind nicht die Religionen, sondern die Religiosität. Deshalb sind
die Zeremonien und die Förmlichkeiten nicht das Wesentliche, sondern die
Anstrengungen, Gott zu gefallen. Im Brief CXXXIV hinterfragt Montesquieu die
Vorteile der Interpretationen der Heiligen Schriften. Solche Werke enthalten
nur die verschiedenen Meinungen der Interpreten. Allerdings vernebeln sie wirkliches Verständnis.
Die Verteidigung der
Toleranz von Montesquieu sowie von Voltaire ist heute immer noch unumgänglich für
alle, die dieses Thema vertiefen möchten. Ihre Positionen lassen sich in zwei
Grundgedanken ausdrücken: Erstens - Gott braucht keine Verteidiger. Zweitens -
Intoleranz entsteht, wenn ein Mensch oder eine Gruppe sich als Besitzer einer
unverifizierbaren Wahrheit sehen.
Montesquieu und
Voltaire heben den nützlichen Einfluss religiöser Minderheiten auf ihre
Mehrheitsgesellschaften hervor, weil sie durch ihre Arbeit und die Ausübung der
Tugenden das soziale und wirtschaftliche Wohlergehen insgesamt steigern.
Die Grenzen der
Toleranz liegen immer noch dort, wo sie Voltaire einst festgelegt hat: Die Toleranz
endet dort, wo die Intoleranz anfängt.
Beide
Tugend zusammen: Freiheit und Toleranz haben eine große praktische Relevanz in
jeder Gesellschaft.
a)
Bewahrung des Friedens.
b)
Ermöglichung der Kommunikation.
c)
Entwicklung des Handel.
Friede entwickelt den Handel. Gewaltätige Regierungsregime
dagegen machen ihn unmöglich und lassen Gesellschaften verarmen (Brief XIX).
Handel bedarf der Kommunikation und Geselligkeit. Mangel an Kommunikation führt
zu einer Intensivierung protokolarischer Formalitäten und Riten, die Begegnungen
erschweren (Brief XXXIV). Der Handelsverkehr entsteht aus der industriellen,
landwirtschaftlichen sowie intelektuellen Produktion eines Landes. Kritisch
sieht Montesquieu die Gewinnung von Edlemetallen. Er bedauert, wieviele
Menschen ihr Leben in Gold- und Silberbergwerke opfern müssen, nur weil diese
Metalle durch menschliche Konvention
wertvoll geworden sind (Brief CV).
Förderung der Künste:
Montesquieu schätzt die Bedeutung der Kunst für einer Gesellschaft hoch ein.
Dafür gibt es einige Gründe.
-
Die Kunst sublimiert die Liebe zum Ruhm
-
Die Kunst vermeidet Müßigang. Niemand,
der sich für die Kunst und das Bücherstudium interessiert, bleibt untätig.
-
Kunst begünstigt die Bildung, die
Montesquieu - ebenso wie andere Aufklärer - als eine wesentliche Aktivität
sieht, die aus der rationalen Natur des Mensch selbst folgy. Dennoch ist den
französischen Denkern bewußt, wieviel Anstrengung das Lernen kostet.
Montesquieu betont die Wirkungskraft der Freundschaft in der Erziehung. Er hält
es für ratsam, solche Gefühle zu zeigen, um die Anstrengungen der Erziehung
abzumildern (Brief XV).
Die Entwicklung der
Gesellschaft entsteht aus ihre inneren Tugenden; sie wird durch die Gesetze abgesichert,
durch Freiheit, Gleichheit und Toleranz verteidigt und durch Handel und Künste
angetrieben.
So wie die Tugend
Wohlstand bringt Wohlstand Feinde mit sich. Es dauert nicht lange bis die
Tugend mit Schwäche verwechselt wird. Feinde werden die wohlhabende
Gesellschaft anzugreifen und zu erobern versuchen. Deshalb braucht die
Gesellschaft zu ihrer Verteidigung Abwehrmechanismen. Montesquieu hält einen
Krieg für gerechtig ist, wenn eine Gesellschaft oder ihr Bündnispartner
angegriffen werden (Brief XCV).
3.
Im Hinblick auf die Gerechtigkeit präsentiert Montesquieu seine Kriterien im Brief
LXXXIII. Der französische Autor erkennt, wie schwierig es für die Gerechtigkeit
ist, die menschliche Leidenschaft zu überwinden. Ihm ist bewusst, dass die Ungerechtigkeit nie aus reiner Bosheit
entsteht, sondern stets von Interessen geleitet wird. Es ist bemerkenswert,
dass Montesquieu mit der Möglichkeit spielt, dass Gott nicht exisitiert. Im
Gegensatz zu historisch späteren philosophischen Theorien, die behaupten „wenn
es kein Gott gibt, ist alles erlaubt“, schlägt der aufgeklärte Montesquieu eine
humanistische Ethik vor. Es sei nötig, die Billigkeit (equitas, equité) mit
oder ohne Gott zu achten.
Die humanistische Ethik
Montesquieus im Grunde die Antwort auf praktische Probleme. Keine Gesellschaft
kann sich einen Grad der Unsicherheit erlauben, wo sich der Mensch nicht mehr
unter Menschen, sondern wie gegenüber hungrigen Löwen fühlt.werden. Dort würde
sich niemand mehr sicher fühlen. Nur dank der Billigkeit kann eine Gesellschaft
überleben. Sonst wurden die ständige Angst, die Ehre und das Leben zu
verlieren, sie zu zerstören.
Montesquieu erkennt am
Ende des Briefe – trotz seiner vorherigen Überlegungen - Gottes Existenz an.
Allerdings spricht er sich gegen das tyrannische Bild aus, das manche Theologen
seiner Zeit von Gott zeichnen. Denn Montesquieu ist ja der Auffassung, dass die
höchste Gerechtigkeit in der Billigkeit (equitas) liege.
4.
Chancengleichheit
in der Gesellschaft: Gesellschaften zehren aus, wenn – wie Montesquieu sagt -
die Sklaven nicht wirtschaftlich aufsteigen können und die Bediensteten keine
Bildungsmöglichkeiten haben. Die gerechte Verteilung von Reichtum und Kultur fördert
die Entwicklung einer Gesellschaft (Brief CXV).
In diesem Sinne wäre es
nicht schlecht, wenn sich manche Länder mehr um die Bildung ihrer Bevölkerung kümmern
würden, statt das Geld für extrem teure Rüstung auszugeben – die außerdem früher
oder später benutzt werden wird, auch wenn nur deshalb, um ihren Preis zu rechtfertigen
- , riesige Türme von Babel zu bauen und die Reichen noch reicher zu machen.
All dies bringt nur Nachteile für eine Gesellschaft. Die Armen haben nichts und
die Reichen fallen ungesunden Lebensweisen anheim, die maßloser Luxus mit sich
bringt.
5.
Gleichstellung
von Männern und Frauen: Aus orientalischer Perspektive
liegt der Grund für die abgeschlossene Lebensform der Frauen in dem Umstand
begründet, sie und ihre Tugenden vor der lasterhaften Außenwelt zu schützen.
Montesquieu beweist, dass
dies nicht möglich ist, und außerdem nur Nachteile mit sich bringt. Die
Anwendung externen Zwangs kann die Tugend nicht bewahren. Er ist davon überzeugt,
dass es ein Irrtum ist, Frauen in Harems einzuschließen. Mögen die Laster der
Freiheit an die Stelle der Laster der Knechtschaft treten. Mit dem Unterschied,
dass die Freiheit die Tugend immerhin fördern kann, wohingegen die Knechtschaft
sie stets verhindert.
Die Ungleichheit
zwischen Männern und Frauen wird im Brief XXXVIII behandelt. Nicht viele Menschen
besäßen Sinn für Gerechtigkeit (Brief LXXXVI). Die meisten ließen sich durch
die Sitten tyrannisieren, die eine Mehrheit diktiert hat; vor allem in Bezug
auf den Anstand.
Bürger sind nicht nur
die Männer, sondern auch die Frauen. Beide Geschlechter zusammen gründen
Familien und bilden Gesellschaften. Montesquieu ist überzeugt, dass die Frauen
die Dominanz der Männer nur aus Liebenswürdigkeit toleriert haben. In
Wirklichkeit ist diese Aussage überflüssig. Dem französischen Denker ist bewusst,
wie wichtig der Rolle der Frau in der französische Gesellschaft und in der
französische Regierung ist.
Im Brief CVII Montesquieu
schreibt, dass sich einige Männer in Persien beschweren, weil es drei oder vier
einflussreiche Frauen im Königsreich gint. Diese Situation sei mit Frankreich
nicht vergleichbar. Dort teilten sich die Frauen untereinander die Macht bis
ins kleinste Detail auf.
Montesquieu ist nicht
der einzige, der solche Beobachtungen schildert. Andere Autoren wie Marivaux,
Molière und Corneille zeigen die Unabhängigkeit und Freiheit der Frauen. Sie
alle erkennen die Vorteile, die dies der Gesellschaft einbringt. Nach
Montesquieus Meinung sollen die Frauen Freiheit nicht nur in der öffentlichen,
sondern auch in der privaten Sphäre genießen.
Der französische Autor
verteidigt, dass die Frauen entscheiden durfen, wann und wen sie heiraten und
wann sie sich scheiden lassen wollen. Eifersüchtige Ehemänner seien in
Frankreich schlecht angesehen. Usbek erzählt, dass sie sogar Ziel des Hasses
seien. Selten erleidet der Ehemann, der die Seitensprünge seiner Frau
toleriert, Nachteile. Ganz im Gegenteil: Man lobt seineVernunft (prudence).
Allerdings: Wenn eine Frau sich nicht an ihr Liebesversprechen hält, muss der
Mann auch nicht die seinen respektieren.(Brief LV)
Montesquieu sagt wiederholt,
dass die höchste Tugend nicht die sexuelle Enthaltsamkeit sei. Die Wahl des
Partners bzw. seine Ablehnung müsse frei und ohne Hindernisse getroffen werden.
Oft werde die Tugend mit veralteten Sitten verwechselt. Die soziale
Übereinkunft müsse auch als solche behandeln werden. Sie dürfe nicht dazu benutzt
werden, die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu verhindern, noch
moralischen Haltungen zu rechtfertigen, die von der Tyrannei der Tradition, der
Religion oder der Starkëre diktiert wurden.
Um diese Situation zu
vermeiden, unterscheidet Montesquieu zwischen privaten und öffentliche
Tugenden. Dies wird in in seinem Werk „Vom Geist der Gesetze“ (1748) deutlich.
Dort stellt Montesquieu klar, dass sein Begriff der Tugend weder moralisch noch
christlich, sondern öffentlich sei.
6. Förderung der Geburtenrate. Montesquieu
akzeptiert die Scheidung (Brief CXVI). In Bezug Abtreibung (Brief CXX) und Zölibat
(Brief XXXVII) ist seine Haltung dagegen eine ganz andere. Der Grund dafür ist,
dass beides die Fortpflanzung der Menschen verhindern.
Für den französische
Schrifsteller bedeutet die Erhöhung der Geburtenrate eine der wichtigste
Herausförderung einer Gesellschaft. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weswegen
er die Jungfräulichkeit der Frau für überflüssig hält. Dass eine Mehrheit sie als
wertvoll betrachtet, überrasche indes nicht – sagt Montesquieu. Seiner Meinung
nach gibt nämlich kaum gerechte Geister, sondern unendlich viele Kleingeister.
Freiheit und Gleichheit
begünstigen das Bevölkerungswachstum (Brief LXXII).
7. Ruhmesliebe.
Sie darf nicht mit Ehrgefühl verwechselt werden. Letztere führe zu nutzlosen Duellen.
Montesquieu gesteht der Ruhmesliebe eine unentberliche Rolle zu (Brief LXXXIX).
Jedoch findet er es lächerlich, Ehre einzufordern (Brief XC).
Montesquieu legt die
notwendigen Werte dar, die eine Gesellschaft braucht. Dabei verbirgt er jedoch
nicht seinen Pessimismus über die menschliche Natur. Nach Montesquieus Ansicht
sind es gerade die durschnittlichen Menschen, die Erfolg haben.
Die intelligenten und
geistigen Menschen dagegen seien immer unbequem. Sie haben enge
Freundschaftskreise und vermeiden die Masse. Sie kritisieren ständig die
Gesellschaft, in der sie leben, weil sie bemerken, was für andere unbeachtet
bleibt. Sie schenken den Einzelheiten, von denen der Erfolg in der Gesellschaft
anghängt, kaum Aufmerksamkeit.
Die weisen Menschen
sind in einer noch schlechteren Position als die geistige Menschen. Oft werden
sie all ihre Güter beraubt, aus der Gesellschaft verbannt und wegen Hexerei
verurteilt (Brief XLV).
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Montesquieu könnte als
feministicher Denker bezeichnet werden. Das Thema der Gleichberechtigung
zwischen Mann und Frau interessiert ihn sehr.
Montesquieu lehnt es ab,
dass Frauen eingesperrt leben sollen, um ihre Tugenden zu beschützen. Das führe
die diesem Schiksal Unterworfenen dazu, die Täuschung zu praktizieren. Die Lüge
verhindert jede mögliche Art von Kommunikation und korrumpiert letztlich das soziale
Überleben.
Montesquieu ist davon überzeugt,
dass die sexuelle Enthaltsamkeit und die Treue zum Bereich der Moral und
Religion gehören. Deshalb seien sie private Angelegenheiten, die das
öffentliche Leben nicht berühren dürfen.
Niemand habe das Recht,
sich in die außerehelichen Beziehungen einzumischen. Noch nicht einmal die
betrogenen Ehemänner und Ehefrauen.
Ich muss zugeben, dass
ich in diesem Punkt mit dem französische Denker in keiner Weise übereinstimme.
Die Tugenden können nicht in private Tugenden und öffentliche Tugenden
unterschieden werden. Auch dürfen sie nicht in zwei Sphären – eine private und eine
öffentliche- differenziert werden. Die Tatsache, dass die Tugend von diesen
Adjektiven begleitet wird, bricht ihre Einheit nicht auseinander. Genauso wenig
wie eine Frau sich verändert, wenn sie mit der Eheschließung den Nachname ihres
Mannes annimmt.
Montesquieu selbst erkennt
das in seinem Buch „Vom Geist der Gesetzte“ an, wenn er schreibt, dass „die
moralischen und christlichen Tugenden nicht aus der Monarchie ausgeschlossen sind,
genauso wenig wie die politische Tugend. In einem Wort: Auch wenn die
politische Tugend die Republik antreibt, ist doch die Ehre ebenfalls in ihr
enthalten. In gleicher Weise gilt: Auch wenn die Ehre die Triebfeder der
Monarchie ist, ist zugleich die politische Tugend in ihr enthalten.“ Trotzdem
kehrt Montesquieu wieder zu seiner Unterscheidung zwischen politischen und
privaten Tugenden zurück, indem behauptet, dass der gute Mensch nicht der
christliche Mensch, sondern der öffentliche sei.
In den „Persischen
Briefe‘ akzeptiert Montesquieu, dass die private und öffentliche Sphäre nicht
radikal getrennt sein können. So sei die elterliche Autorität essentiel für die
Kindererziehung. Da die elterliche Autorität zu Hause ausgeübt werde –das heißt im privaten Bereich – ist es
nötig, dass die Eltern allgemeine Tugenden ohne Adjektive haben. Nur so können
sie ihren Kindern die Tugenden richtig weiter vermitteln. Anderenfalls werden
die Kinder nur die Unstimmigkeit der Doppelmoral erben. Erstaunlich finde ich
die Anstrengungen der aktuellen Gesellschaft, ihre Jugend glauben zu machen,
dass die Eltern die schlimmsten Feinde ihrer Kinder sind. Nur wenn die Eltern ihnen alles erlauben,
sind sie gute Eltern. Was als strategisches Marketing der Filmindustrie
angefangen hat, ist eine akzeptierte Wahrheit geworden. Die Eltern sind ratlos.
Die schlechten pendeln zwischen unverantworlicher Freizügigkeit und (physischer
oder psychischer) Misshandlung. Die guten Eltern quälen tiefe Zweifel an ihren
erzierischen Fähigkeiten.
Ich
habe den Eindruck, dass die Unterscheidung in private und öffentliche Tugenden zunächst
als Damm gegen soziale Vorurteile und religiöse Tyrannei dienen wollte. Am Ende
aber hat sie zwei schädliche Effekte verursacht. Ein Effekte war die
Verbreitung der Doppelmoral. Der andere ist die naive Glaube, dass die private
Zügellosigkeit nicht den öffentlichen Tugenden schade.
Ehrlich gesagt ist es für
mich schwer zu verstehen wie ein Mann (Frau), der (die) nicht seinen (ihren)
Ehevertrag respektiert einen anderen Vertrag – ganz gleich welcher Art -
respektieren kann. Wie kann ein Man (Frau), der (die) auf seine (ihre) privaten
Tugenden nicht achtet, auf die öffentlichen Tugenden achten? Meiner Meinung
nach geht Montesquieu zu weit. Er bleibt nicht bei der vernünftigen
Verteidigung der Ehescheidung. Er sieht sogar die Seitensprünge der jeweiligen
Ehepartner als zulässig an. Ich habe meine Zweifel, dass außereheliche Affären
die ehelichen Beziehungen nicht beeinträchtigen. Es sei denn, dass die Ehe bloß
auf Interessen beruht.
Es ist nicht meine
Absicht, den Rückzug der Frauen in ein
Kloster oder den Schleier für ihre Köpfe zu beanspruchen – selbst wenn sie
bereit wären, die eine oder die andere
Variante freiwillig zu unternehmen.
Eine Sache ist es, dass
Menschen sich mehrmals in ihrem Leben verlieben, etwas anderes ist aber die
Leichtsinnigkeit und Frivolität, mit der die Liebesbeziehungen heutzutage
behandelt werden. Bis zu dem Grade, dass wir ohne jede Scham die Vereinigung
der Körper vor die Vereinigung der Seelen setzen. Ah! Entschuldigung. Ich hatte
vergessen, dass wir keine Seele haben.
Aber haben wir nicht
immer noch ein Gehirn? Deshalb fehlt es sehr schwer zu erklären, warum so viele
Beziehungen erst körperliche und erst darauf – wenn überhaupt – geistige sind. Das ist
genauso unverständlich wie die Tatsache, dass es viele Menschen gibt, die
Alkohol und Drogen brauchen, um Spaß zu haben. Öffentsichtlich sind sie nicht
in der Lage, allein mit ihre Intelligenz –ohne äußerliche Hilfe - eine Party zu
genießen.
Im Fall der Frauen sind
die Konsequenzen der Leichtsinnigkeit noch graviender, weil sie die Mütter der
zukünftigen Bürgern sein werden.
Es ist wichtig, dass
sie sich um ihre geistige und körperliche Gesundheit kümmern. Das solche Ideen
durch Faschismen missbraucht worden sind, beraubt sie nicht ihrer Gültigkeit.
Auch nicht die Tatsache, dass die Hellenische und Römische Kultur durch den italienischen
Faschismus entweihen worden sind, mindert nicht ihren Wert.
Niemand leugnet, dass
die Situation unter der die Frauen früher gelitten haben, unerträglich war.
Falls sie nicht ihre Jungfraulichkeit vor der Ehe bewahren hatten oder
alleinerziehende Mütter waren , oder sie ihren Mann aus dem einfache Grund,
dass sie ihn nicht mehr ertragen konnten, verlassen hatten, wurde sie sofort aus ihrer Familie und ihrem
Dorf verbannt. Sie war allein auf ihr Glück angwiesen. Und wir alle wissen,
welches Glück auf sie wartete.
Aber man muss auch
akzeptieren, dass die Vorbilder für Frauen, die die heutige Medien
anbieten, sozial und familiäre
Ungleichgewichte verursacht.
Man nimmt mit Gleichgültigkeit
hin, dass eine verheiratete Frau mit Kindern ein erotisch-pornographisches
Video von sich selbst aufnimmt und weiter an andere Personen leitet. Die Empörung kommt nur, wenn ein solches Video
eine großere Verbreitung als die gewünschte erreicht. Die Teilnehmer im Wettbewerb „Big Brother“ lassen den Eindruck
erwecken, dass es zur Normalität gehört, sich vor laufender Kamera im Bett zu küssen.
Dass jede und jeder von ihnen einen Partner (eine Partnerin) außerhalb der Filmkulisse
hat, ist irrelevant. Wichtig ist allein, dass die freizügigen Protagonisten – wenn
auch nur für kurze Zeit – eine gewisse Berühmtheit erlangen und die
Einschaltquote der Sendung so hoch wie möglich steigt. Es wird gelassen hingenommen, dass einander unbekannte Personen untereiander ihre
intimsten Probleme in den Medien vor den Augen der Öffentlichkeit ausbreiten.
Schließlich ist es bekannt, dass die Gefühle heute so sind und morgen wieder
anders. Es ist deshalb einerlei, was man heute sagt. Morgen wird sowieso alles
anders sein.
Ich vermute, dass sich
auf diesem Weg die Sitten der orientalischen Frauen oder der extremistischen
religiösen Gruppen schneller als gedacht durchsetzen werden. Ich vermute, dass
Montesquieu die sozialen Vorurteile, die die Freiheit der Frau verhinderte, brechen
wollte. Trotzdem ist es zweifelhaft, dass er mit der heutigen Situation
einverstanden wäre. Einerseits beteiligen
sich die Bürger immer seltener in politischen Angelegenheiten. Anderseits
fühlen die Bürger immer weniger Scham, ihre Intimität in der öffentliche Sphäre
zu zeigen. Die Konsequenzen haben nicht
lange auf sich warten lassen. Die ernsteste und
schwerwiegendste ist die Zerstörung der Familie, Grund jeder
Gesellschaft in Montesquieuschen Philosophie.
Es ist Zeit, dass wir
einige Prämisse betrachten.
a)
Die Zugehörigkeit der Menschen zur Welt
der Natur verwandelt sie nicht in irgendwelche Tiere (Tiger und Löwen kämen
nicht auf die Idee sich wie ein Wurm zu verhalten).
b) Der
Mensch ist Leib und Seele oder wenigstens Leib und Gehirn. Wie die Römer schon
sagten: „mens sana in corpore sano“. Viele
glauben, dass nur weil sie jeden Tag Sport treiben und sich mit Gemüse und Obst
ernähren (ökologisch, wenn es geht) alles korrekt gemacht haben. Sie vergessen
dagegen gerne das Thema des Alkohols und der Droge - oft mit der relativierenden
Ausrede, dass man ja auch nicht übertreiben müsse. Es gehe ja nicht darum –sagen sie - wie Nonnen oder Mönche zu leben.
c) Es
ist wahr, dass Frauen und Männer zusammen die Gesellschaft bilden, aber
diejenigen, die die Jungen erziehen – ganz gleich, ob man dies so will - sind immer
noch hauptsächlich die Frauen. Die Erziehung, die die Frauen bekommen, wird daher
die Richtung einer Gesellschaft bestimmen.
Ehrlich gesagt glaube
ich, dass die Fernsehserien, die aus den Vereinigten Staaten zu uns kommen
keine der oben genannten Prämisen erfüllen. Die Vorbilder, die sie darstellen,
sind für junge und noch nicht ausgebildete Charaktere nicht angemessen. Statt
sie zu erziehen, verderben sie sie.
Säkulare Eltern können ihre Kindern nicht retten, weil sie keine
moralische Autorität mehr besitzen; ultrareligiöse Eltern sind - wie gewöhnlich
- in ihren eigenen ideologischen Ghettos eingeschlossen.
Die Wirklichkeit ist
schmerzhaft. Außer in den für die heutige Jugendliche vorsintflutlichen Serien: „Unsere
kleine Farm“ und „Remington Steele“
kenne ich keine andere Fersehenserie, in der die Frauen ein Vorbild für
die jugendlichen Zuschauerinnen sein könnte. Wenn wir allerdings überlegen,
dass „Unsere kleine Farm“ das Dorfleben im Amerika des 19. Jahrhunderts
erzählt, und dass in „Remington Steele“ die Chefin der Detektivagentur einen Strohmann
als Chef einstellen muss, weil sie als Frau sonst keine Aufträge bekommt, müssen
wir zugeben, dass diesen Serien ihrern Zuschauerinnen auch nicht gerade ein viel
versprechend Panorama bieten. Entweder müssen sie in vergangene Zeiten zurückfliehen
oder sie müssen ihre Intelligenz hinter der männlichen Schulter verstecken.
Die andeen Serien
zeigen eine noch trostlosere Perspektive. Einige stellen süße und stets verständnisvolle
Frauen dar. Sie kümmern sich um den Haushalt. Sie backen leckere Kuchen für
ihre Männer und immer, wenn sie sich mit ihnen unterhalten, benutzen sie den
Humor, um zu beweisen, dass ihre Männer dümmer als sie sind (in den 70 Jahre
zum Beispiel „Verhext“). Anderen Serien greifen auf manichäistische Muster zurück. Sie übersetzen die alte Unterscheidung „brave Mädchen/unanständige
Mädchen“ in eine neue Variante: „vernünftigen
Mädchen / Party girls“.
Die Unterschied zu den
alten Zeiten liegt darin, dass früher die braven Mädchen hoch geschätzt waren.
Heutzutage erscheinen sie dagegen als langweilig und naiv. Sie sind die großen Verliererinnen
geworden. Ihre Gutmütigkeit schleppt sie in die Depression, Einsamkeit oder den finanziellen
Ruin. Sie bleiben allein mit ihren altmödischen Werte – oder müssen die einengen de Gesellschaft einer
religiösen Gruppe suchen.
Allem Anschein nach
denken viele, dass wenn es keinen Gott auch keine Prinzipien mehr gibt. „Wozu
nur?“ –fragen sie erstaunt.
Es gab Versuche, die
brave Mädchen zu retten. Ein paar Serien wendeten folgenden Plot an: Arroganter
Schnösel mit leerem Kopfe, die nur auf sein „Image“ bedacht ist, wird durch das
brave Mädchen überwunden.
Die traurige Wahrheit
ist allerdings, dass das Marketing-Imperium die Vorherrschaft der „party girls“
abgesichert hat. Derzeit werden sie nur durch die „It-girls“ übertroffen. Letztere
haben kein Problem damit, ein bloßes – und perfektes - Objekt zu werden. Sie
erscheinen in der Öffentlichkeit meisterhaft gekleidet – oder entkleidet. Sie
werden in Serien und Reality Shows, wie Gossip Girl, Jersey Shore, Gandia Shore
oder sogar Big Brother poträtiert.
Die „it-girls“
verhalten sie sich wie in Zellophanpapier verpackte Fleischstücke. Statt ihre
sinnlichen Instinkte als „sinnliche Instinkte“ zu benennen, bezeichnen sie sie
als „ihren eigenen Lebensstil“. Komisch eigentlich. Sie alle sind Klone: Sie bewegen sich auf die gleiche Weise; sie
benutzen die selben Farben und Marken, um sich zu schminken; sie gehen in die selben
Läden zum shoppimg und sie verwenden die selben Redewendungen. Trotzdem haben
sie die Fähigkeit zu behaupten –ohne mit der künstlichen Augenwimper zu zucken
– wohl damit sie nicht herausfällt –, dass sie „einen eigenen Lebensstil“ - vor
allem „eigenen“ - haben. Es ist besser, wenn wir das Wort
„Lebensstil“ übersehen. Glauben Sie mir: Wir ersparen uns schreckliche Kopfschmerzen.
Es ist mir bewußt, dass
es unter solchen Umstände sinnlos ist, an die Selbstverantwortung oder das „Sapere
Aude“ zu appellieren. Warscheinlich ist es auch schwierig zu erklären, dass es
auch eine Freude geben kann, die nicht aus dem Konsum enspringt, oder dass die
Ehe eine spannende Herausforderung ist, weil sie eine Gütergemeinschaft ist, in
der sinnliche Liebe und seelische Affinität zugleich vorkommen. Deshalb spielt
die Treue eine so wichtige Rolle. In der Ehe dürfen die Gefühle nicht kapriziös
werden, da sie der Entwicklung eines gemeinsames Projekt dienen. Es muss in der
Tat nicht nur ein gemeinsames, sondern
auch ein freiwilliges Projekt sein. Aber wie in jedem Projekt muss der Glaube
an den Erfolg dieses Projekt existieren, der Wille, das Projekt zu realisieren
und die vernünftige Analyse, dass es möglich ist, dies zu schaffen. Die Ehe beruht indes auch auf Gefühlen; und
wenn diese nicht mehr existieren, dann verblasst das Projekt. Deshalb finde ich
es so zynisch wie falsch zu behaupten, dass das
private Verhalten keine politischen Konsequenzen für die Entwicklung und
Förderung einer Gesellschaft verursache. Wenn jemand heutzutage in der
Öffentlichkeit behaupten würde, was ich gerade gesagt habe, würde er als
lächerliche Figur angesehen werden. Die Zuhörer wurden nicht wissen, ob er
extrem religiös oder einfach ein Spinner wäre. Montesquieue fand trotz allem in
der Familie den Grund und die Stütze der Gesellschaft.
Keine der alten Hexen
und Nonnen hätte wohl je geglaubt, dass die Befreiung der Frau und die Liberalisierung
der Gesellschaft bloßen Hedonismus mit sich bringen würde.
Wenn
das größte Erstaunen des Westens sich daran fest macht, dass viele islamische
Frauen ihre Körper freiwillig verhüllen, selbst wenn sie berufstätig sind und
sogar verantwortungsvolle Stellen besetzen, ist das größtee Erstaunen des Ostens,
dass viele westliche Frauen ihre Energien darauf verwenden, ihre Kater zu
behandeln und die Männer statt die Macht zu erobern.
Ist die Zerstörung der
Frau und der Mutter das Produkt der Dekadenz oder der Freiheit? Sagen sie mir
bitte nicht das Freiheit Dekadenz mit sich bringt. Dies würde ich niemals akzeptieren.
Montesquieu hat die Unrichtigkeit einer
solche Behauptung hinreichend gezeigt und begründet. Ist die gegenwärtige Frau vielleicht
wie die Frau im alten Rom, die, sobald sie die ökonomische Unabhängigkeit
erreicht hatte, kaum noch Kinder bekommen hat? Haben wir es vielleicht mit
einer Verschwörungstheorie zu tun, von der meine Freundin Carlota (siehe meinen Blog „Die
Welt und ich – eine Reflexion über Verschwörundtheorien“) gesprochen hat, nach
der die Gesellschaft keinen Nachwuchs mehr bekommen soll? Muss man die Frauen
eingesperrt halten, damit sie lernen, Person zu sein, statt eine nur
„party-girl“, das sich nur für Champagner, Kaviar und Nagellack interessiert? Ist
das vielleicht die wahre Natur der Frau?
Weiß jemand, wo die
alten Hexen und Nonnen sind? Jene ungehorsamen Frauen, die sich über die Männer
lustig gemacht haben , sich verweigert haben, Mütter zu sein, weil sie sich lieber
den Büchern und dem Studium widmen wollten?
Wo sind jene Frauen geblieben, die ihren Weiblichkeit eingesetzt haben,
um Macht zu erreichen, statt die „Celebrity“ des Dorfes oder die Unterhaltung
der Masse zu werden? Warum wollen die
jungen Mädchen „party-it girls“ statt „Madame Curie“ sein? Warum machen die
Medien mit?
Ich hoffe, dass diese
emotionale Verwirrung, an der die Frauen
derzeit leiden, nicht denen als Vorwand
dient, die die Frau in Unbildung und Aberglaube fesseln wollen.
Ich weiß, dass einige
von Ihnen jetzt denken werden, dass die „Persische Briefe“ politische und
juristiche Themen behandeln, die weitreichender als die Frauenproblematik sind.
Aber was wollen Sie? La cabra tira al
monte. Ich kämpfe dagegen, dass weder die andere Frauen noch ich unseren
Leben in einem Harem – wie tugendhaft und luxuriös er auch sein mag - enden.
Einige Male habe ich
den Verdacht gehabt, dass jemand die Frauen auf die selbe Insel verbannt hat,
auf die auch Pinocho gebracht wurde. Zuerst bekommt man alle Süßigkeiten und
dann... Es stört mich ungeheuer, dass Montesquieu - als Mann – nur das als private Tugend
betrachtet, was in den Schlafzimmern geschieht.
Haben
sie es bemerkt? Die Prediger hören nicht auf, darüber zu reden, dass die
Unterdrückung der sinnlichen Instinkte die einzige Tugend wäre. Dem
widerspreche ich vehement. Aber auch die Philosophen unterdrücken die sinnlichen
Instinkte, soweit sie behaupten, dass sie für die öffentliche Gesellschaft
keine Rolle spielen und sie damit ”privatisieren“. Ich bin dagegen überzeugt
davon, dass die privaten Geschehnisse unserer Schlafzimmer sehr wohl
Konsequenzen für die öffentliche Verfasstheit unserer Gesellschaft haben.
Warum predigen die
einen die Unterdrückung der sinnlichen Instinkte und die anderen deren
Privatisierung, frage ich mich.
Wahrscheinlich, weil beide – Prediger und Philosphen - auch „nur“ Männer sind.
Die einen dürfen nicht und die anderen wollen ohne schlechtes Gewissen.
„C’est en cherchant à instruire
les hommes, que l’on peut pratiquer cette vertu générale qui comprend l’amour
de tous. L’homme, cet être flexible, se pliant, dans la société, aux pensées et
aux impressions des autres, est également capable de connaître sa propre nature
lorsqu’on la lui montre et d’en perdre jusqu’au sentiment lorsqu’on la lui
dérobe. »
Bis zur nächsten
Woche !
Isabel Viñado
Gascón
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