Mittwoch, 3. Dezember 2025

Abschied und Neubeginn

 

Ein Abschied bedeutet manchmal einen Verlust, manchmal bedeutet es eine Flucht. Manchmal ist ein Abschied einfach nur eine Tür hinter sich zu schließen.

Egal welche die Ursache für einen Abschied sind, eine Sache ist sicher: so lange ein Mensch am Leben ist, ist es unmöglich für ihn ein „Neubeginn.“ Der Mensch ist nie eine Reihe von einzeln und isolierte Punkte, die keine Verbindung miteinander haben. Der Mensch ist ein Ganzes und seine Zweifel und seine „existenzielle Löcher“ gehören ihm und begleiten ihn durch seine gesamte Existenz. In diesem Sinne ist ein Neubeginn, nur mit einer Reinkarnation denkbar.

Das Evangelium ist für dieses Thema extrem interessant. Auf spanisch lautet die Übersetzung des Evangeliums: „Lazarus steht auf und gehe“. Auf Deutsch ist es ein bisschen anders: Zuerst sagt Jesus: „Lazarus kommt heraus“. Lazarus Fuße und Händen waren mit Leichenwindeln umgewickelt und sein Gesicht mit einem Tuch verhüllt. Jesus fordert die Leute auf: „Befreit ihn davon und lasst ihn gehen“. (Johannes 11: 41-44)

Ja. Nach einem Abschied ist nicht nur das Aufstehen wichtig. Auch dieses „Gehen“ ist unentbehrlich, weil es bedeutet, dass Niemand außer einer selbst sowas machen kann. Dieses Gehen ist ein radikales Individuelles Aktion.

Aufstehen und Gehen sind nicht nur ein Ausdruck des Willens. Sie sind vor allem ein Akt der Verwirklichung dieses Willens.

Die griechische Mythologie, die auch die Mutter der Philosophie ist, zeigt in den Ikarus-Mythos etwas ähnliches.

Ikarus ist der Architekt, der das Labyrinth von Kreta aufgebaut hat. Aber dieses Labyrinth ist sein eigenes Gefängnis geworden. Er will fliehen.

Er steht auf. Er entwirft und baut diese Wachsflügel und gehe.

Dieses „Gehen“ erfordert geistige Kraft, Mut. Kurz gesagt: dieses Gehen verlangt das Glauben an sich selbst, das Glauben an den Idealen. Das Glauben ist immer etwas Spirituelles. Das Glauben hat nichts mit Erwartungen zu tun, sondern eher mit Hoffnungen. Das Glauben gehört zu der Domäne der Seele, nicht der Materie. Ohne dieses Glauben, hätte Ikarus nie diese Wachsen Flügel entwickeln können.

Ikarus wollte Abschied nehmen von diesen Hypermaterialismus, durch das Labyrinth symbolisiert. Diese Hypermaterialismus verhindert das Denken, das Fühlen. Alles rundherum ist Materie; grau und kalte Materie. Ikarus will aus dieses Gefängnis fliehen. Ohne Ideale wäre die Flucht unmöglich gewesen.

Und trotzdem dieses „Gehen“ trägt die Materie mit sich hin. Der Mensch ist ein Gleichgewicht zwischen Materie und Ideale. Das soll er nie vergessen. Ohne Materie sind die Ideale verlorene Träume. Dädalus, sein Sohn stirbt, weil er diese einfache Wahrheit vergisst. In seinem Wunsch, das Absolute zu erreichen, geschmolzen seine Wachs Flügel.

Hyperidealismus so gefährlich wie Hypermaterialismus.

Auch Jesus vergisst die Materie nicht. Ohne seine Beine, könnte Lazarus nie gehen. Der Körper ist auch wichtig. Deshalb symbolisiert das Kreuz das Gleichgewicht zwischen das Material oder körperliche Seite des Lebens (Horizontal Teile) und die spirituelle Seite (Vertikal Teile).

Damit will ich sagen: Abschied nehmen hat drei Momente. 1.) Es bedeutet eine Trennung. 2) Es verlangt ein Aufstehen, die nur mit der Kraft der Idealen möglich ist und 3) Es verlangt auch eine Bewegung, ein „gehen“ (ein weiter gehen), dass ohne die Unterstützung der Materie unmöglich wäre. Die Ideen allein helfen nicht, wenn diese Ideen sich nicht verkörpern.

Es ist vor allem eine radikale individuelle Handlung, die den Menschen mit sich selbst und seiner eigenen Existenz als Ganzes konfrontiert.

Isabel Vinado Gascón

(Dieser Artikel erschien erstmals in MoMo Pub Talk am 14. März, 2021)